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Kultur: Kaum leise klingt die Weise

Musikalische Soirée mit Thomas und Rebekka Wittig im Alten Rathaus

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Musikalische Soirée mit Thomas und Rebekka Wittig im Alten Rathaus Der „Ruf aus Potsdam“ sei sozusagen die Präambel für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, wirbt Fördervereinsvorsitzender Dr. Rheinheimer beim Publikum. Nicht etwa um Spenden, sondern um den Eintritt in den Förderverein. Mit 50 Euro pro Jahr sei man dabei, so lockt er, damit das barocke Gotteshaus wieder im alten Glanz erstrahlen könne. Nach dem Konzert könne man ausliegende Anträge ausfüllen. Bariton Thomas Wittig dürfte das Prozedere bereits hinter sich haben. Gehört er, der gemeinsam mit dem Verein zur Förderung musikalisch-literarischer Soireen in den Theatersaal im Alten Rathaus bittet, doch zu jenen Künstlern, die sich engagiert um Potsdams historische Mitte und zeitgenössische Kultur kümmern. Zusammen mit seiner Cello streichenden Tochter Rebekka und unterstützt von Pianistin Rita Nauke gewährt er Einblicke ins vielfältige Repertoire der Wittig’schen Musikerfamilie. Die Lieder sowie Arien aus Oper und Oratorium sind danach ausgewählt, ob sie für das Violoncello solistische Begleitaufgaben bereithalten. Wenn nicht, wird es kurzerhand geändert. Manche Besetzungsmanipulation wäre daher auf dem Programmzettel durchaus deklarierungspflichtig gewesen. Wie beispielsweise bei Franz Schuberts „Ave Maria“ oder Johannes Brahms'' „Wie Melodien zieht es mir leise durch den Sinn“, das der bunt gemischten Zusammenstellung ihren Titel gibt. Doch von leise kann kaum die Rede sein. Da das Streichinstrument mit voluminösem Klang die Lieder dominiert, sind die anderen Mitwirkenden zum Forcieren genötigt. Thomas Wittig rettet sich mit seinem kraftvoll tönenden Bassbariton in den extrovertierten Vortrag, Rita Nauke in einen wenig subtilen, dafür reichlich prosaischen Anschlag. Das schaukelt sich gegenseitig hoch, worunter die Intimität des Liedgesanges leider leidet. Da es den einzelnen Strophen an differenzierender Gestaltung mangelt und die Gesangsstimme mitunter allein vom Cello vorgetragen wird, verbleibt ein eher zwiespältiger Eindruck vom Vorgetragenen. An den Klavier“ersatz“ für das Orchester muss sich das (originalklangverwöhnte) Ohr in den Arien „Komm, süßes Kreuz“ (aus Bachs „Matthäuspassion“) und „Es ist genug“ (aus Mendelssohn Bartholdys „Elias“) erst gewöhnen. Ebenso an den operndramatisch geprägten Vortrag von Thomas Wittig. In diesem musiktheatralischen Metier zieht er dann mit ausladender Stimme alle Register einstiger Bühnenpräsenz. Die cellobegleitete Verzweiflungsklage des Philipp „Ella giammai m''amo!“ aus Verdis „Don Carlos“ gehört genauso dazu wie das vor Lyrik überquellende und mit innerer Beteiligung vorgetragene „Lied an den Abendstern“ aus Wagners „Tannhäuser“ und Papagenos Wunsch „Ein Mädchen oder Weibchen“ aus Mozarts „Zauberflöte“. Da endlich ist Thomas Wittig ganz bei sich angekommen. Des pfiffigen Naturburschen Glockenspiel-Bekenntnis erfährt ihr instrumentales Gegenstück mit Ludwig van Beethovens zwölf Variationen über das bekannte Lied für Violoncello und Klavier op. 66. Die konzentrierten Veränderungen werden von Rebekka Wittig und Rita Nauke mit bogendruckveränderlichem Saitenstreichen und variierendem Tastenanschlag enorm prägnant gespielt. Ausdrucksvielfältig geht es in der Genreszene „Am Springbrunnen“ op. 20 Nr. 4 von Karl Juljewitsch Dawidow (1838-1889) zu, der als Begründer der russischen Cellisten-Schule gilt. Wie es der Titel erwarten lässt, sprudelt es – motorisch unentwegt angetrieben – bis in die höchsten Lagen. Klaren Tons und sehr dramatisch im Ausdruck spielen die beiden Damen Felix Mendelssohn Bartholdys „Lied ohne Worte“ für Violoncello und Klavier op. 109. Nicht weniger unsentimental deuten sie die „Vocalise“ von Sergej Rachmaninow aus. Ganz allein meistert Rebekka Wittig ihr groß und sonor klingendes französisches Charotte-Instrument (1840) bei Ausschnitten aus Bachs Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012: mit druckintensivem Bogenstrich breitet sie vibratoreich das bewegte Linienspiel der Allemande aus, bringt sie unangestrengt die heitere, intervallreiche Spritzigkeit der Courante nachdrücklich zur Geltung. Allen Mitwirkenden fällt für ihr Heimspiel anhaltender, herzlicher Beifall zu. Peter Buske

Peter Buske

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