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Kultur: Kein Hochwaldmärchen

Veranstaltung im Filmmuseum zur Lausitz

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Eine Katze streicht aufgeregt über einen maroden Balkon. Der Putz blättert ab, der Balkon scheint sich von dem Haus lösen zu wollen, und die Katze wirkt, als würde sie sich fürchten. Die Kamera zoomt zurück, das Haus steht baufällig und allein gelassen auf einer Brache. Dieses Haus, das in Cottbus immer noch steht, erklärte Regisseur Peter Rocha in dem an seine Filmtrilogie „Die Schmerzen der Lausitz" anschließenden Gespräch, habe er als Symbol für die Situation der gesamten Landschaft benutzt. Es hätte nämlich gesprengt werden sollen und am gleichen Ort sollte ein SED-Palast entstehen.

Dass dies nicht geschah, liegt an der Wende und der veränderten Energiepolitik. Peter Rocha erzählte in dem von PNN-Chefredakteur Michael Erbach engagiert moderierten Gespräch freimütig darüber, wie er noch zu DDR-Zeiten seine Trilogie, die den elenden Zustand der Lausitz zeigte, trotz Zensur habe fertig stellen können. Zunächst haben ihm nächtliche Diskussionen mit dem, inzwischen leider verstorbenen „singenden Baggerfahrer“ Gerhard Gundermann dazu gebracht, das tabuisierte Thema in ein Märchen zu kleiden. So entstand dann das „Hochwaldmärchen“ im Jahr 1987 als Auftakt der Trilogie und konnte im märchenhaften Gewand an der Zensur vorbei gleiten.

Die beiden anschließenden Filme „Leben am Fließ“ und „Schmerzen der Lausitz“ (1989 und 1990) nutzten dokumentarisch-künstlerische Verfahren mit elegischen Bildern und ausschließlich O-Tönen, um auf die Zustände in der Lausitz aufmerksam zu machen, ohne dabei politisch-ideologisch zu werden. Gerhard Gundermann ist einer der Protagonisten, der nach Rocha auch eine etwas „zerrissene“ Haltung zum Braunkohleabbau einnahm. Einerseits verdiente er, der als Liedermacher nicht existieren durfte, als Baggerfahrer sein Geld, andererseits erkannte er aber, dass dieser Raubbau an Natur und Kultur so nicht weitergehen könne. Sein Haus solle verschont bleiben, wünschte er sich und erzählte, dass er „wie eine alte Frau“ Holz sammele, um damit den Badeofen für seine Kinder anzuheizen.

Seit der Wende ist viel geschehen und einige der Krater, die in die Landschaft gerissen wurden, sind inzwischen künstlich begrünt worden. Das abgebaggerte Land wird allmählich zu einer großen Seenplatte umfunktioniert, aber Braunkohle wird trotz der umweltschädigenden Co2-Belastung weiter abgebaut.

Was diese Energieform dem Land und der Kultur angetan hat, demonstrierte Peter Rochas Filmtrilogie eindrucksvoll. Dass dabei die Sorben am allermeisten leiden mussten, war auch in der Diskussion unbestritten. Der Schriftsteller Juri Koch sprach in dem Film gar von einem „Ethnozid“ – und die Diskussionsteilnehmer René Schuster(Grüne Liga), Peter Rocha und Mario Kalaetschiew (vom Referat Energiepolitik, Bergbau im brandenburgischen Wirtschaftsministerium) bestritten diese Tatsache nicht. Dass viel in den Schulen getan werde, reiche nicht aus, diese alte Kultur weiterhin am Leben zu erhalten. So bündeln sich in der Energiefrage kulturelle, wirtschaftliche und Umwelt-Problematiken, die durch Begrünung und künstlich hochgepumptem Grundwasserpegel allein nicht gelöst werden. Laut René Schuster sind eine schnelle Abkehr von der Braunkohle und Baggerstopp die einzige Alternative. Das sei nicht einfach so möglich, lautete die wenig überraschende Antwort von Kalaetchiew, zunächst müssen die Konsumenten ihr Verhalten ändern, um letztendlich auch auf die Braunkohle verzichten zu können. Einig waren sich alle auch darin, dass alternative Energieformen entwickelt werden müssen, über deren Effizienz allerdings gingen die Meinungen auseinander. Jedenfalls können Filme wie die von Peter Rocha Augen öffnen und sollten häufiger gezeigt werden.

Lore Bardens

Lore Bardens

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