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Kultur: Kein Knistern

Premiere im Schlosstheater von „Venus und Adonis“

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Suchet, so werdet ihr finden. Einer ist tatsächlich unterwegs – auf der Bühne des Schlosstheaters im Neuen Palais, mit roter Laterne und freiem Oberkörper, auf der nächtlichen Jagd nach einem Opfer, das er mit stilisiertem Pfeil und Bogen beschießen will. Das Requisit verrät ihn: Gott Amor, Sohn der Venus, Schutzgöttin aller Liebenden und Inbegriff weiblicher Schönheit, ist“s. Bei seinen tänzerischen Ausspähungen findet er seine Mutter, allein auf hartem Doppelbett liegend, die sich den göttlichen Jüngling Adonis an ihre Seite träumt und arienklagend verkündet, dass sie von Liebesqual gepeinigt sei. Zufälligerweise findet Amor auf dem Bühnenboden noch eine Spielzeugpistole. Sie ist ihm ein weiteres willkommenes Hilfsmittel, jemand in Liebe entflammen zu lassen. Unbeabsichtigt trifft es den zufällig des Weges kommenden Adonis. Die Mama mag ihren Kuppeljungen nicht schelten. Ist sie vielleicht gar froh über den Meisterschuss?

Mag sein, nur merkt man das ihrer personifizierten, in ein stilisiertes Barockkostüm gesteckten Vertreterin Susanne Langner leider nicht an. Geistesabwesend schreitet sie auf und ab, synchronisiert immer wieder die Gesten von Sohnemann. Unbeweglichen Mienenspiels lässt sie ihren klangvollen Mezzosopran erblühen und italienisch vortragen, was ihr Alessandro Scarlatti (1660-1725) in seiner Serenata „Il giardino d“amore – Venus und Adonis“ zu singen aufgetragen hat. Natürlich ist dabei nicht alles in Noten gefasst, was Ovid im 10. Buch der „Metamorphosen“ beschrieben hat, sondern nur ein winziger Ausschnitt vom Aufeinandertreffen des mythologischen Liebespaares. Dass es keine Oper geworden ist, sondern „nur“ eine amouröse Huldigungskantate, verdankt sich dem Opernspielverbot von Papst Clemens XI.

Auch in der Bühnenrealisation durch das Potsdamer Opernensemble „I Confidenti“ und die Berliner Instrumentaltruppe „Sans Souci“, die mit Blick zur Bühne im „Graben“ platziert sind und unter Anleitung der Violinistin Irmgard Huntgeburth feinfühlig in historisierender Spielweise musizieren, geht es nur in Maßen theatralisch zu. Arien wechseln unentwegt mit Rezitativen, und als Krönung der Kurzweil gibt es zwei Duos. Scarlattis Musik formt den Redetonfall prägnant nach, bevorzugt kurze Motive und viele Pausen, liebt akzentuierte Wendungen und die Sopranblockflöte, mit der sich Vogelgezwitscher köstlich imitieren lässt. Was Christoph Huntgeburth die Möglichkeit gibt, sein vortreffliches Können vorzuführen und bereits beim eingangs erklingenden a-Moll-Concerto für Einstimmung auf“s Kommende sorgt, ehe eine zügig musizierte Eingangsmusik in den Garten der Liebe einlädt.

Damit das beschauliche Geschehen etwas Abwechslung erfährt, hat Regisseur Frank Schleinstein die Figur des Amor hinzu erfunden. In gefälligen Posen, körpergeschmeidig und anmutig entledigt sich Tänzer Maximilian Diedrich seinen Schreit- und Standwaageaufgaben. Doch auch er kann die belanglose szenische Aufbereitung nicht vergessen machen. Von „glühender Werbung voller erotischer Spannungen“ (wie es im Werbetext heißt) ist nichts zu sehen. In der Schlosstheater-Grunddekoration mit ihrer Hintergrundbalustrade steht einzig jenes unkuschelige Doppelbett, dem als Kopfstütze ein muschelartiges Gebilde dient, das an ein Detail aus Botticellis Gemälde „Geburt der Venus“ erinnert (Bühne/Kostüme: Christine Jaschinsky).

Darauf flimmern gelegentlich undefinierbare Videoschnipsel. Wozu? Die Arrangements wirken banal und erzählen nichts von der Gefühlslage ihrer Protagonisten. Mancher witzige Regieeinfall (zu Mamas Vogel-Arie schwingt Amor zwei Stabholzvögel; ein rotes Herz dient ihm als Fächer, dann als Laute) nutzt sich rasch ab. Nicht so die Stimme von Natali Buck, die als Adonis sopranlieblich und ausgeglichen singt, sich gestalterisch steigert. Eingeschobene Cembalo-Piecen, lebendig gespielt von Petteri Pitko, unterbrechen das Szenenspiel, das wirkt, als hätten sich Hänsel und Gretel ängstlich im Wald verirrt. Nachdem Venus und Adonis die „süße Zufriedenheit“ besingen, sucht sich Amor mit roter Laterne ein neues Opfer. Die Premiere am Freitag wird enthusiastisch gefeiert.

Peter Buske

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