Kultur: Kein künstlerischer Treppenwitz
Collagen, Fotos und Skulpturen im Stahnsdorfer Atelierhaus von Angela Benrath
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Collagen, Fotos und Skulpturen im Stahnsdorfer Atelierhaus von Angela Benrath Von Götz J. Pfeiffer Häuser ohne Treppen? Gibt“s nur wenige. Da müssten Ausstellungen in Treppenhäusern doch häufig sein. Allein, meist werden diese in vielerlei Hinsicht schwierigen Räume gemieden. Nicht so bei Angela Benrath, die dieses Jahr zum dritten Mal in ihrem Atelier- und Wohnhaus ausstellt. In diesem Spätsommer begleiten sie der Fotograf Ralph Schultze aus Essen und der Bildhauer Michael M. Heyers aus Kleinmachnow bei ihrer Kunst interessierten Privatinitiative. Collagen, Fotos, Stein- und Holzskulpturen sind in lockerer Präsentation im Benrathschen Haus und Garten zu Stahnsdorf verteilt. Und wie jedes Jahr nutzt die Malerin auch das Treppenhaus, das das Gebäude genau in der Mitte teilt. Aus der Begrenztheit des hohen, schmalen Raumes machte sie eine kleine Tugend. Die ausgestellten Formate ihrer Collagen und der Fotos von Schultze sind mit 20 mal 20 Zentimetern ansprechend klein. Selbst auf den Treppenstufen hat man genügend Raum zum Betrachten. Und auch die erstaunlich große Menge von 63 Arbeiten verteilt sich im Treppenhaus überaus luftig. Die Präsentation korrespondiert der Leichtigkeit des vom Licht durchströmten Raumes. Dabei steigen die kleinen Arbeiten mit dem Betrachter die Stufen hinauf, ziehen ihn die quadratischen Formate vom Erdgeschoss bis unter das Dach. Welche Gegenstände dargestellt sind, ist weniger wichtig als die farblichen und formalen Spannungen und Harmonien zwischen den bunt gemischten, meist unbetitelten Arbeiten von Benrath und Schultze. Beide kennen sich gut aus vierjähriger Ateliergemeinschaft im Ruhrgebiet. Als „Der freie Fall“ baumelt am oberen Treppenende eine rote Schnur vor schwarzem Grund. Den „Kreislauf“ zeigt das Foto einer Mauer, deren Verkleidung erst besprayt, dann zertreten wurde, so dass die ursprüngliche Ziegelstruktur zu sehen ist. „Schichtwechsel“ betitelte Schultze ähnliche zerstörte Wandstrukturen. Seine „Sonnentreppe“ in kräftigem Orange fällt ins Auge und korrespondiert mit einem Objekt-Kasten Benraths. Sonst Übersehenes vor Augen zu stellen, sieht der im Brotberuf als Werbefotograf Tätige als Motivation für seine ausschnitthafte, detailverliebte Weltsicht. All zu ernst nimmt sich die Schau selber nicht. In einer „Gebrauchsanleitung für diese Ausstellung“ fordert die Gastgeberin auf, „den spielerischen Charakter“ zu entdecken. Da plätschert der Blick leicht an den transluziden Strukturen ihrer „Wachstreppe“ im querformatigen Kasten entlang. Dort kann man die stelenartig hohe Materialcollage “Feuerleiter³ erklimmen. Um dann noch über die wortspielerische „Karriereleiter“ zu schmunzeln: Drei Holzklötzchen geben die Stufen ab, darauf mühen sich wenige Kieselsteine,doch die Krone in der Spitze hat noch keiner erreicht. Oder sieht man doch die wankende Gestalt eines Macht verliebten Herrschers? Bemerkenswert, dass sich bei Benrath neben den filigran-abstrakten Malereien auch solche schlichten, witzigen Arbeiten finden. Zu anderen sinnlichen Genüssen wollen die „Glücksinseln“ von Heyers verleiten. Die Titel der flachen, bikonvexen Steinscheiben bezeichnen weniger einen imaginären Ort à la Heinses „Ardinghello“ als die Zufriedenheit, die der Bildhauer beim Schleifen der Objekte hatte. Im Haus sind sie zu einer kleinen Gruppe gelegt, im Garten ist eine auf einem Sockel montiert. „Im wahren Sinne des Wortes zu begreifen“, wie die Gebrauchsanleitung der Schau anpreist, sind diese Steine wirklich, geben nach einem warmen Tag sogar die gespeicherte Sonnenwärme wieder. Von ähnlich sinnlicher Form sind Heyers „Torso“ und die abstrakte Arbeit „Lebensfreude“. Figurativ ist er im „Schattenmann“, einer mannshohen Holzskulptur von allerdings nur einer Körperhälfte. Sie korrespondiert „ich & ich“, einem Paar ähnlicher Menschen. Heyers sieht in ihnen Figurationen des gleichen Menschen. Trotz mancher formalen Verspieltheit und inhaltlichen Wiederholung wird man die Gruppenschau kaum einen Treppenwitz nennen wollen. Dieser belächelnde Ausdruck wurde im späten 19. Jahrhundert damit erklärt, dass einem „von der Audienz die Treppe herunterkommenden Bittsteller, ein pikantes, gerade passendes Wort fast immer erst hinterdrein“ einfiele. Doch der Ausstellung kam ihre Idee zur rechten Zeit. Gut ist sie deshalb mit dem französischen Lehnwort bezeichnet: esprit d“escalier. „drei die dritte“ bis 28. September im Atelierhaus Benrath, Tannenweg 13, Stahnsdorf. Besuch nach Vereinbarung unter Tel. 03329-616449 erwünscht.
Götz J. Pfeiffer
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