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Kultur: Kein Seelengewitter

Das Hans Otto Theater Potsdam spielt „Prinz Friedrich von Homburg“ im Schlosstheater

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So zerrissen das Leben des Heinrich von Kleist war, so vielstimmig wurden seine Sprachschöpfungen aufgenommen. Keiner Stilrichtung oder Ideologie gehörte er ganz. Das obwaltende Gesetz seines nur 34 Jahre währenden Daseins blieb bis zum ersehnten Freitod eine Unbehaustheit auf Erden. Dem Militär, Studenten, Wissenschaftler und Dichter erfüllte sich sein eigentlicher Wunsch nach einem bäuerlichen Leben auf Schweizer Scholle nie. Die nimmermüde Suche nach befriedigender Lebensschau in politischem Gemeinwohl sowie existenziellem Einssein blieben diesem Genius versagt. Aber die edlen Visionen von mitmenschlichem Zusammenleben haben mit seiner Dichtung Glanz, Schönheit und Wärme in die Welt gebracht. Gerade heute, wo es an echten Motivationen zu mangeln scheint, dem Leben mehr als nur das bloße Überleben abzutrotzen, hat „Prinz Friedrich von Homburg“ die Chance, Verkrustungen aufzubrechen. Seine moralische Kompromisslosigkeit regt auf und kann erschüttern. Die glatte Gehorsamsverweigerung des Generals von Homburg gegenüber dem Großen Kurfürsten brachte zwar Preußen bei Fehrbellin den Sieg über Schweden, zwang aber gleichzeitig die Krone, knallhart auf Gesetz und Ordnung zu bestehen, um die Spielregeln zum Wohle aller aufrecht zu erhalten. Spontan gefühlte Improvisation des Homburg kontra buchstabengetreue Vorschrift wetteifern um des Dichters Lorbeer und die Gunst eines Publikums, dem die Ermüdungserscheinungen uninspirierten Mitläufertums nur allzu bekannt sind. Wenn diese als Traum getarnte Lektion in Sachen humaner Versittlichung auch noch mit einer couragierten Liebhaberin des Helden einher kommt, dann erfüllt sich großes Theater wie selten.

Im überraschenden Kontrast zum Rokoko des Schlosstheaters hat Regisseur und Bühnenbildner Gisbert Jäkel eine Black Box von eleganter Linienführung und beklemmender Wucht entworfen. Bildschirmüberwachung am Kommandotisch, Bürosessel und elektronische Notizbücher stehen für das geistige Zentrum von Macht. Hier tragen die Figuren gedeckten Military-Look von einfacher Feldmanier bis zu raffiniertem Schick (Kostüme Antje Sternberg), dem sparsamstes Bühnenlicht genügen muss. Der Große Kurfürst (Andreas Herrmann), hier zart, agil und mit Brille, bemüht sich dennoch tapfer um Durchblick. Die Auftritte vor seiner Generalität absolviert er merkwürdig fahrig, beinahe ängstlich, um ja auch immer zu zeigen, dass er auf seine Mannen hört. Dieser Monarch zieht keine Strippen, sondern zappelt eher an selbigen, die von anderen gezogen werden. Seiner Gattin (Sabine Scholze) ist nicht viel wohler. In kurz angebundener Bissigkeit grämt sie sich einsam durch die Szenerie. Alle mütterlichen Zuwendungen einer beliebten First Lady sind ihr verwehrt. Die Militärs bringen es selten über einen aufgeregt schnarrenden Brüllton hinaus. Viele Texte werden vielleicht auch deshalb zum sicheren Verständnis häufig schnurgerade ins Parkett gesprochen und lassen die Partner im Regen stehen. In der Titelrolle: kräftig und bodenständig Moritz Führmann. Ihm hat es die Regie schwer gemacht, das phantastisch Provozierende Homburgs, die Abgehobenheit über das Banale, auszuspielen. An Stelle dessen muss derbe Direktheit einen handfesten Burschen darstellen, der das wirklich große, angreifbare und mitreißende Gefühl kaum zum Tragen bringt. Gut getroffen hat Caroline Lux die Prinzessin Natalie. Bei ihrem Spiel verbinden sich die Psychologie Kleistscher Gedankenschärfe und berührende Emotion auf gelungene Weise.

Den freundlichen Premierenapplaus für dieses Hohenzollern-Heimspiel mussten die Schauspieler allerdings ohne Regisseur entgegen nehmen. Dieser zeigte sich nicht.

Ulf Brandstädter

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