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Kultur: Kein Spielraum für entfesselte Bewegung

Gezügelte Emotionen: Tania Maria und Band

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Er kann einem wirklich leid tun, dieser Mestre Carneiro. Eingepfercht zwischen seinen Conga-Trommeln und manch anderem Schlaggerät, hatte er kaum die für ihn nötige Bewegungsfreiheit. Platz ist ja genug auf der großen Bühne im Nikolaisaal. Doch Mestre Carneiros Spielraum blieb beschränkt. Aber es gab Momente an diesem Samstagabend, da schien es nur noch wenig zu brauchen, dass dieser Mann voll Temperament, überschäumender Fröhlichkeit und explosivem Rhythmusgefühl ausbrechen würde. Doch seine Begleiterin Tania Maria hatte alles unter Kontrolle.

Es war ein Konzert der gezügelten Emotionen, das die brasilianische Sängerin und Pianistin Tania Maria und ihre Band im Rahmen der Saisoneröffnung im Nikolaisaal boten. Eher Einstimmung denn Aufwärmübung für das Salsafest, das vor der Tür des Konzerthauses in der Wilhelm-Staab-Straße und am Kanal gefeiert wurde.

Dass das Zeug, das Tania Maria und ihre drei Musiker im gut besuchten Saal zusammen mixten, es mächtig in sich hatte, war an einigen der Zuhörer zu beobachten, die es kaum in den Sitzen hielt. Aber es ging ihnen wie Mestre Carneiro. Ihnen fehlte einfach der Spielraum für ihren entfesselten Bewegungsdrang.

Tania Maria ist die Grande Dame im brasilianischen Musikzirkus. Im Alter von 20 Jahren nahm sie mit „Apresentamos Tania Maria“ ihr erstes Album auf. Das war im Jahr 1969. Bis heute hat sie 26 Alben eingespielt, unzählige Konzerte gegeben, mit vielen internationalen Jazzgrößen zusammengespielt und so ihr unverwechselbares Gemisch aus der Weitschweifigkeit des Jazz und der fiebrigen und so rhythmischen Stilvielfalt Südamerikas destilliert. Über dieses immer kurz vor dem Überkochen gehaltene musikalische Gebräu legt sie ihre unverwechselbar weiche Stimme wie das Fell einer Katze.

Gut anderthalb Stunden dauerte die Reise durch Tania Marias Welt. Und größtenteils war diese Reise ein Genuss. Auf der einen Seite Marc Bertraux am Bass, Caio Mamberti am Schlagzeug und Mestre Carneiro an den Percussion, die den Rhythmus als ein nur schwer zu bändigendes Biest an der Kette zelebrierten.

Auf der anderen Tania Maria am Klavier und gelegentlich auch am Keyboard, die mit Gelassenheit in der Stimme und wohltemperiertem Spiel auf den Tasten die Melodiezügel straff in den Händen hielt. Ob das im Tempo gezügelte „Besame mucho“ oder „Aqua de Beber“, das anfänglich das bekannte „Hit the road Jack“-Thema zitierte, jedes Lied garantierte Ausschweifungen pur und manche Überraschungen.

Doch stellte sich bei diesen Liedern, die nie unter zehn Minuten endeten, bald eine gewisse Beliebigkeit ein. Musik, die sofort in die Beine geht und anderthalb Stunden lang zum Tanzen auffordert, verliert ihren Reiz, wenn man sie im Sitzen hören muss.

Dirk Becker

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