Kultur: Kein Wunder
Fabelhafter Abend mit „La Fabella“ in der Urania
Stand:
Die Potsdamer Urania macht nicht immer nur „auf wissenschaftlich“, sie kann auch anders! Wenn man im Veranstaltungsraum die Stühle aus ihrer strengen Ordnung löst und den braunen Flügel nicht verhüllt, wird es in der sonst so gestrengen Hütte richtig gemütlich. Für das neue Programm des rein femininen Duos „La Fabella“ gab die aktuelle Ausstellung „Funktionslose Maschinen“ von Menno Veldhuis sogar noch einen besonders passenden Hintergrund ab, denn als die frühen Tonfilme der Ufa das Singen lernten, war ja – im Frieden wie im Kriege – auch Maschinenzeit.
Neu ist diesem Duo das uraniagemäße Ambiente nicht. „La Fabella“ hatte in diesem Vortragsraum bereits Eugen Roth und Christian Morgenstern auf literarisch-musikalische Art zu Gehör gebracht. Am Freitag also Hits der frühen Tonfilmzeit, von der Oboistin Ulrike Fabienke und Helgrid Pippig am Piano einem überwiegend älteren Publikum zum Träumen, zum Eingedenken vorgetragen. Wie sagte doch Friedrich Rückert: Das Alte wird nie alt, es wird nur alt das Neue.
Mit Willi Forsts Filmtitel „Frauen sind keine Engel“ hatte man natürlich sofort den richtigen Haken an der Angel. Er sollte ja mitten im Krieg (1943) beweisen, dass Frauen keineswegs schlechtere Drehbücher schreiben als Männer. Aha, schon damals ritt das Weib an sich Attacke: Als Diva, als Vamp, als Verführerin. Glaube doch keiner einer Marlene Dietrich, sie sei „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Da steckte doch was ganz anderes dahinter.
Friedrich Hollaender, zugleich Komponist der „Feschen Lola“, wusste das natürlich. Nichts ist eben so, wie es scheint, besonders in den, für manchen, unergründlichen femininen Landen. Zur Darstellung solcher und anderer Ohrwürmer, etwa „Kann denn Liebe Sünde sein“ von Lothar Brühn, oder ganz extrem „Für eine Nacht voller Seligkeit, da geb ich alles hin...“ (Peter Kreuder) braucht man also Untertext. Den lieferte die selbstbewusste und bühnensichere Liedinterpretin Ulrike Fabienke nur zum Teil, dafür aber „in progress“. Sie hat eine wunderbare Ausstrahlung, Temperament, und gab ihrem Instrument schon mal ein Küsschen, wenn ihr so war. Anfangs mit weißer Bluse und schwarzer Hose, dann im langen Schwarzen auftretend, strahlte sie Souveränität aus. Besonders die letzten Lieder, „Nur nicht aus Liebe weinen“ (Theo Mackeben) und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ (Michael Jary) gerieten sehr eindringlich. Sicher auch eine Frucht ihrer Schauspiel-Ausbildung. Ist letztlich nicht alles Gestus? Nur die Stimme, ihre Stimme braucht noch etwas mehr Füllung, sonst war dieser Abend doch ziemlich Fabella-haft.
Beide Damen moderierten abwechselnd. Man erfuhr vom Zickenkrieg zwischen Zarah Leander und Marika Rökk, und was geschieht, wenn der oberste Filmbonze keine Doppelrollen mochte: „Kora Terry“ von 1940 kam „aus Rache“ sechs Monate später in die deutschen Kinos. Dergestalt ließ sich ganz unauffällig der Bogen zum Potsdamer Filmjahr 2012 schlagen. Kulturland Brandenburg wird’s freuen.
Zwischen den Liedern schöne Instrumentalstücke wie der Ragtime von Geoffry Russell-Smith am Flügel, das fesche Klarinetten-Solo von William Gillock oder Tschaikowskys tränenrühriges „Chanson Tristesse“. Sollte nicht ein Wunder geschehen, wird dieses freundliche Programm nach der erfolgreichen Freitags-Premiere sein Publikum finden.
Gerold Paul
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