Kultur: Keine endgültige Lösung in Sicht
Eine Filmdokumentation zum Hindu-Moslem Konflikt im Filmmusueum
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Eine Filmdokumentation zum Hindu-Moslem Konflikt im Filmmusueum Im Februar 2002 verbrannten im nordindischen Bundesstaat Gujerat mindestens 59 Hindus, eingeschlossen in einem Eisenbahnwaggon. Die genaue Ursache dieses verheerenden Feuers konnte nie rekonstruiert werden. Lediglich von einer Konfrontation zwischen den Fahrgästen, die von einer Pilgerfahrt zurückkehrten, und muslimischen Händlern wurde berichtet, was in den Folgemonaten der Anlass für grausame Pogrome an Muslimen war. Der Filmemacher Rakesh Sharma zeigt die Folgen der eskalierenden Gewalt in einer vierstündigen Dokumentation, die im Rahmen der Internationalen Tagung „Constitution and Confessions – The Politics of Religion“ des Einstein Forums im Filmmuseum zu sehen war. Bis heute wird über die Frage diskutiert, wie das Selbstverständnis säkularisierter Staaten mit dem Recht auf freie Religionsausübung vereinbar sei. Es scheint offensichtlich, dass Religiosität und staatsbürgerlicher Gleichheitsanspruch immer wieder miteinander kollidieren. Beispiele, dass die gebotene Toleranz im Zusammenleben zu einer abnehmbaren Maske wird, hinter der sich Hass verbirgt, der Menschen zu brutalsten Übergriffen gegenüber ihren Nachbarn befähigt, hat es in der Menschheitsgeschichte unzählige gegeben. Die blutigen Auseinandersetzungen in Indien sind nicht einzigartig. Es gelingt dem Filmemacher Sharma, der sich ganz auf die Befragung von Zeugen sowohl der Massaker wie der politischen Entwicklungen konzentriert, die Mechanismen des Hasses aufzuzeigen. Während im ersten Teil die Umstände des Sterbens der Hindus im Eisenbahnwagon diskutiert werden, widmet sich der zweite Teil dem Terror-Trail (Terror-Prad), der anschließend im gesamten Bundesstaat gelegt wurde. 2000 Moslems wurden getötet und unzählige aus ihren Häusern vertrieben. Offiziell gibt es 91000 Flüchtlinge. Die Polizei griff selten ein. Der Ministerpräsident Narenda Modi bestritt gar, dass es massive sexuelle Übergriffe auf muslimische Frauen gab, die im Film von Überlebenden und von Totengräbern, die die Leichen Vergewaltigter und Ermordeter beerdigen mussten, bezeugt werden. Statt Aufklärung der Verbrechen und Schutz erfuhren die Opfer, dass sie als Wahlkampfargumente missbraucht wurden, wie der 3. Teil zeigt. Nicht aus den eigenen Reihen gehe Gewalt hervor, sondern die anderen seien die Gefahr, von der man sich nun endlich befreien müsse. Spätestens an dieser Stelle erwies sich der Film als lehrende Mahnung, die auch im bequemen Potsdamer Kinosessel ankam. Die stereotype Rede vom per se muslimischen Terroristen sowie von der unterstellten moralischen Bedrohung unterscheidet sich kaum von der im europäischen Rassismus. Ein alter Hindu, dessen Frau im Eisenbahnwaggon verbrannte und dessen Sohn während der Unruhen getötet wurde, betont, dass nicht die Religion Ursache der Auseinandersetzungen sei, sondern schlicht Machtinteressen. Leider verzichtete der Film auf eine historische Rekonstruktion des muslimisch-hinuistischen Konfliktes. Stattdessen wies er in die Zukunft und zeigte an den Aussagen von Kindern, wie sich der Hass über Generationen weiter trägt. Lene Zade
Lene Zade
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