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Von Almut Andreae: Kikiriki, kikiriko?
Andreas Hü(h)neke gibt sich als Kunstparodist
Stand:
Eine fliegende rote Kuh im freien Fall. Drum herum tummeln sich munter weitere Brüder und Schwestern. Andreas Hüneke hat sich einen Jux daraus gemacht, unterschiedlichste Rinderdarstellungen aus der Kunst der klassischen Moderne in einem ungewöhnlichen Stelldichein zu arrangieren. Das Ganze findet statt im Rahmen seines Bildes „rindenrinder“, gemalt im Jahr 2007 auf „Platanenrinde auf Holz“. Gleich daneben hängen zwei Infozettel. Auf ihnen weist Hüneke die Provenienz der abgekupferten Rindviecher nach: Neben Marc Chagall standen für „rindenrinder“ unter anderem die Kühe und Stiere von Pablo Picasso und Ewald Mataré Modell. Die ungewöhnliche Symbiose von kunstgeschichtlich belegten Déjà-Vus ist in der Ausstellung Programm, die derzeit im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zu sehen ist. Hier wird aus motivischen Anleihen von Malern wie Klee und Feininger, Grimmling und Klimt ein Bildcloning betrieben, das vor nichts zurückschreckt.
Andreas Hüneke ist Kunsthistoriker und genießt in dieser Funktion guten Ruf. Dass nun ein Kunstwissenschaftler ab und an auch selbst mal zu Pinsel und Leinwand greift, ist an sich nicht exotisch. Nicht so häufig dagegen präsentieren sich die Kunstexperten mit ihren Werken in einer Einzelausstellung. Und noch seltener wird man in diesem Zusammenhang einen Spagat der Sorte erleben, wie ihn Hüneke mit seiner einwöchigen Bilderschau im Inselpavillon derzeit unternimmt. Hier tritt er an, um erstmalig seine Parodien zur modernen Kunst öffentlich auszustellen.
„Angst davor, dass die Leute über meine Bilder lachen, muss ich nicht haben, denn das wäre mein größter Erfolg“, ließ der langjährige Vorsitzende des Potsdamer Kunstvereins im Vorfeld seiner Ausstellung verlauten. Tritt er doch offenkundig mit dem Vorsatz an, die Leute mit seinen Bildern zu erheitern. Nun spricht ja gar nichts dagegen, ein bisschen am Heiligenschein der Kunst zu kratzen. Angesichts der Ausstellung mit dem vielsagenden Titel „van gockel und cha gallus“, „kikiriki, kikiriko“ und andere parodien zur modernen kunst“ muss sich Hüneke allerdings die Frage gefallen lassen, ob er seinen humoristischen Ansatz nicht ein bisschen überstrapaziert hat. Denn – mal Spaß beiseite – was, wenn man seinem Wortwitz, aus dem sich der Großteil seiner Bildschöpfungen nährt, nicht wirklich etwas abgewinnen kann? Aus motivischen Extraktionen zweier Miró-Bilder schustert Hüneke etwas Neues: „die kleine blonde mit dem bunten schuh, gefällt mir o!“ Und aus de Chirico wird da „kikiriki, kikiriko“. Derlei Spielereien, verbunden mit der hünekeschen Vorstellungskraft, sind keine Grenzen gesetzt. Mit dem einmal gefundenen Strickmuster findet der Jokus vermutlich nie wirklich ein Ende, ist doch die so genannte moderne Kunst, die bei Hüneke das gesamte 20. Jahrhundert abdeckt, reich an entsprechenden Vorgaben.
Ein bisschen orientierungslos fühlt man sich als Betrachter in der Ausstellung. Konfrontiert mit den kunstgeschichtlichen Referenzen, die Hünekes Kreationen schulmeisterlich flankieren, bleibt dennoch unbeantwortet, inwiefern der malende Kunsthistoriker diese Werke rein als Parodie in den Raum stellt und/oder doch als Kunst. An dieser entscheidenden Frage scheiden sich die Geister derer, die sich an Hünekes Kunst-Karikaturen intellektuell delektieren und all der anderen. Der ironisch-selbstironische Zugang des Kunstspezialisten zur Kunst fängt jedoch spätestens da an zu kippen, wo der überzeugte Sandalenträger den Ausstellungsbesucher mit einem 1982 geschaffenen Selbstporträt überrascht: „zeh-vileda“ hat er die Plastik aus Vileda-Tuch über Gasbeton in Form eines überdimensionalen Zehs genannt. Da ist es nur folgerichtig, dass der 1944 in Wurzen geborene, sich selbst als Hü(h)neke verhohnepipelnde Initiator dieser Selbstbeschau vollständigerweise auch eine im dadaistischen Duktus gehaltene, am eigenen Leben orientierte „zeh-vileda biographie“ in die Ausstellung hängt.
Die Ausstellung ist noch bis einschließlich Sonntag, 30. August, im Inselpavillon auf der Freundschaftsinsel von 12 bis 18 Uhr geöffnet
Almut Andreae
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