Kultur: Kindheit im Norden und ein paar Sorgen „Im Garten vorgelesen“ mit Lonny Neumann
Genau vor drei Jahren im September las der Schauspieler Hans-Jochen Röhrig, von der Potsdamer Urania beauftragt, im Museumshof Hermann-Elflein-Straße aus John Steinbecks Erzählung „Von Mäusen und Menschen“. Die begnadete Akkordeonistin Cathrin Pfeifer spielte dazu selbstkomponierte Stücke voller Dynamik und Innerlichkeit.
Stand:
Genau vor drei Jahren im September las der Schauspieler Hans-Jochen Röhrig, von der Potsdamer Urania beauftragt, im Museumshof Hermann-Elflein-Straße aus John Steinbecks Erzählung „Von Mäusen und Menschen“. Die begnadete Akkordeonistin Cathrin Pfeifer spielte dazu selbstkomponierte Stücke voller Dynamik und Innerlichkeit. Am Sonntag kehrte der Veranstalter in ähnlicher Konstellation zur letzten Gartenlesung diesen Jahres an diesen Ort zurück. Wieder spielte Cathrin Pfeiffer ihre betörenden Stücke, Blumen und Grün unterschieden sich kaum vom damaligen Stand, nur die eiligen Wolken am Himmel waren wohl anders, und böiger ging der Wind.
Diesmal las die Potsdamer Autorin Lonny Neumann aus ihrem 2006 erschienenen Erinnerungsbuch „Grüne Glasscherben“. Es schildert ihre Kindheitserlebnisse im uckermärkischen Strasburg, endet aber schon 1952, als sie Achtzehn wurde.
Ihren Erzeuger kennt „das Kind“ nicht, er soll an der Ostfront verschollen sein. Doch auch ihr Ziehvater Henrich ist nicht da, erst Krieg, dann Gefangenschaft bei den Tommys in „Engelland“, wo ja „der liebe Gott wohnen“ soll. So wächst sie „als Kind der Schande“ wohlbehütet unter der Obhut ihrer Großeltern auf. Während nun Opa Drebelow die von der Schöngeistigkeit berührte Enkelin eher von der Welt fernhalten will, versucht ihre Oma Johanna alles, damit „etwas besseres“ aus ihr werde. Symbol ihrer Kindheit sind jene „grünen Glasscherben“, die sie einst fand. Durch sie sah die Welt etwas anders aus.
So geht das im Buch durch Schule und Krieg, durch Neulehrerschule und Nachkrieg: in schönen Worten und poetischen Bildern.
Eine Lesung aber ist etwas anderes, die Leute bezahlen, um etwas zu hören. Nun hat die Urania in einem richtigen Kraftakt eigene Stühle anschaffen können, was sehr gut ist und künftige Mittel schont. Mit der Lautsprecheranlage aber funktioniert es immer noch nicht. Kurz nach Beginn schon wurden die hinteren Reihen unruhig, man protestierte, rückte nach vorn, um besser verstehen zu können. Zudem hätten die unübersichtlichen Familienverhältnisse der „eigensinnigen Lore“ wohl einer Einführung bedurft. Das Buch erschließt sich selbst in der Lektüre nicht leicht: Eltern, Stiefeltern, Oma und Opa, Geschwister, Vergangenheit, dann aber ein plötzlicher Schwenk in die Gegenwart, als die Autorin zurück in den Norden fährt, um ihre Schwester zu sehen und zuletzt alle Hoffnung in das eigene Enkelkind setzt. Einige gingen während der Pause, was so oft nicht geschieht.
Die beschriebene Figur hatte es sich schon früh geschworen, andere „mit Worten zu sättigen“. Im Hof des 1737 erbauten Freimaurerhauses „Im güldenen Arm“ war es mühevoll, Lonny Neumanns leiser Stimme zu folgen, zumal sie gelegentlich, mit Verlaub, in den Ton einer „Märchenerzählerin“ verfiel. Nach der Pause las sie im Stehen, und fast alles wurde gut.
Nicht so Gutes gibt es diesmal über das „Catering“ zu berichten. Zwar hatte man ein üppiges Büfett mit neun Sorten Kuchen bereitgestellt, Kaffee und andere edle Getränke, doch konnte die Mannschaft das Ende des Nachmittags wohl nicht erwarten. Noch während der Veranstaltung baute man ab, leise zwar, doch immer noch störend. Das geht natürlich nicht.
„Im Garten vorgelesen“ erntete in den vergangenen Jahren viel Dankbarkeit und Ruhm. Jetzt sollte nachpoliert werden, denn Routine ist ja der Tod aller Kunst. Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: