Kultur: Kirschblüten
Regina Jacobi zur Vocalise in der Französischen Kirche
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Schon zu Mozarts Zeiten waren die Menschen fasziniert von fremden Klängen in der Musik. Einen Höhepunkt erreichte die Vorliebe für exotische Kulturen um die Wende zum letzten Jahrhundert. In der Französischen Kirche erklang jetzt eine Auswahl fernöstlich inspirierter Lieder des Finde-Siècle. Unter dem Motto „Kirschblüte“ brachten die Mezzosopranistin Regina Jacobi und der Pianist Philip Mayers Werke französischer, deutscher und englischer Komponisten zu Gehör. Von der unter dem Stichwort „Exotismus“ bekannten Mode wurden zuerst die Franzosen angesteckt. Französische Literaten, Maler und Komponisten bereisten im 19. Jahrhundert Asien und die Südsee. Auf den Weltausstellungen 1989 und 1900 in Paris gab es aufsehenerregende Konzerte javanischer, chinesischer und japanischer Ensembles. Musikalische Früchte dieses Interesses sind die „Quatre poèmes hindous“ von Maurice Delage und die „Poèmes Chinese“ von Albert Roussel. Diese Lieder verströmen ein kräftiges, impressionistisches Parfum, Miniaturen in leuchtenden, bewegten Farben, die spielerisch östliche und westliche musikalische Motive verweben.
Von der intensiven Verquickung von Poesie und Musik geht eine delikate, kunstvoll erlesene, mystische Aura aus. Beispielhaft verkörpern sie das „L“art pur l“art“-Prinzip. Regina Jacobi wusste sie klangvoll, mit dezenter Phrasierung und edlem Stimmglanz umzusetzen. Wesentlich lakonischer ging es in den vertonten Haikus, japanischen Dreizeilen-Gedichten von Colin Matthews, zu. Als einziges Klaviersolowerk erklang „Anklang für Klavier“ von Anne Boyd, sehr sensibel gespielt von Philip Mayers. Die „buddhistische Stille“ des balinesischen „Anklang“-Instruments wird darin von der australischen Pianistin mit vielen, langsam tröpfelnden Tönen nachgeahmt. In Deutschland wurde die fernöstlich-exotistische Mode sehr von dem Dichter Hans Bethge angeregt, der mit vielen Künstlern befreundet war. Seine Zeitgenossen Egon Wellesz und Gustav Mahler komponierten Gesangszyklen auf Bethges Nachdichtungen aus dem Japanischen und dem Chinesischen. Viel pentatonische Fünfklänge und Quartenharmonik erklingen in Wellesz“ „Kirschblütenliedern“, die Regina Jacobi mit trefflicher Stimmgestik deklamierte. Zwischen gestischem Duktus und expressivem Gesang bewegten sich drei Gesänge aus Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ mit Klavierbegleitung. Überreif, quellend und zitathaft scheint hier das Erbe der europäischen Musik in üppigen Klangmalereien auf, weit entfernt von seinen Wurzeln in Volkslied und Dur-Moll-Harmonien. Diesen Sänger zieht es nicht mehr in Ferne, wie es im „Abschied des Freundes“ heißt, er will nur noch nach Hause, an die Brust von Mutter Erde. Eine ganze Musikepoche geht mit diesen elegischen Gesängen voller Agonie zu Ende. Viel Beifall für Regina Jacobi, Philip Mayers und ihr Konzert erlesener Raritäten der vorletzten Jahrhundertwende.Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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