zum Hauptinhalt

Kultur: Klagend bis keck

Neue CD: Fagottkonzerte mit Kammerakademie

Stand:

Neue CD: Fagottkonzerte mit Kammerakademie Das Fagott erfordere „den vollsten Atem und einen so gesunden und männlichen Ansatz“, meint Musikästhet Christian Schubart, „dass nur wenige Menschen fähig sind, es bis zur Meisterschaft zu spielen.“ Fagottist Sergio Azzolini, künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam, hat sie erreicht. Wenn er zum Instrument greift, stehen interpretatorische Höhepunkte ins Haus. Die CD-Zusammenstellung mit Fagottkonzerten des 20. Jahrhunderts, von der Firma Capriccio vertrieben, lässt den Musikfreund tagtäglich daran teilhaben. Der Ton des Instruments sei „so gesellschaftlich, so lieblich geschwätzig, so für jede unverdorbene Seele gestimmt“, dass er sich in alle Formen von der Militärmusik bis zum Konzert schmiegen kann (Schubart). Sein Ausdrucksbereich ist breit gefächert. Es kann (zumal in der Tiefe) hohl und fahl klingen, persiflieren, pathetisch singen. In mittleren Registern lässt es sich träumerisch schwärmen, in hohen herrlich karikieren. Von Fülle des Wohllauts und des Ausdrucks ist die Wiedergabe des virtuosen „Spiels mit sieben Noten“ (Ciranda das sete notas) für Fagott und Streicher von Heitor Villa-Lobos (1887-1959) geprägt. Mühelos ist Azzolinis Ton, rund und ausgeglichen. In den zahlreichen Episoden lässt er das Instrument keck plappern, klagen, elegisch singen – wann eigentlich holt er einmal Atem? Zu einem reizvollen Wechselspiel mit der Trompete (Matthias Höfs) wächst sich das streicherbegleitete Doppelkonzert von Paul Hindemith (1895-1963) aus. Spirituelle Betrachtungen münden in anspringende Spielfreude, wobei signalartige Attacken der Trompete ihre Antwort oftmals in kapriziösen Fagottwendungen finden. Dirigent Maurice Bourgue hält den Klang schlank und straff. Wie auf dem Sprung wird auch das Konzert für Fagott, Streicher, Harfe (Vida Izadi) und Klavier (Tomoko Takahashi) von Andre Jolivet (1905-1974) musiziert. Sprunghaft tollt es durch den Tonraum, von geistvoller Konversation unterbrochen. Beeindruckend die sonore Tiefe, in der sich das Fagott sicher vernehmen lässt. Diese ist besonders im Konzert für Fagott und tiefe Streicher von Sofia Gubaidulina (geb. 1931) eingefordert. Auch hier finden sich große Intervallsprünge, die ausgezeichnet gemeistert werden. Gleitendes des Soloinstruments wird von Streicher-Pizzicato konfrontiert, unheimlich Lastendes von sehnsuchtsvoll Rufendem abgelöst. In hohen Lagen lässt Azzolini das Instrument durchdringend, weinerlich, fast karikierend klingen. Im Rubato-Satz findet sich Geräuschhaftes, Flatterzunge und Triller mit deutlich vernehmbaren Klappengeräuschen. In der Kadenz steigt das Fagott in tschaikowskynahe Kontratiefen hinab. Ein ungewöhnliches, ein zerklüftetes Stück, dem eine hinreißende Wiedergabe zuteil geworden ist. Peter Buske Fagottkonzerte des 20. Jahrhunderts. Sergio Azzolini, Fagott. Kammerakademie Potsdam. Dir.: Maurice Borgue (Capriccio 67 139).

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })