Kultur: Klangasketisch
Mozart-Ensemble Berlin in der Friedenskirche
Stand:
Lähmende Hitze brütet derzeit über der ausgedörrten (Klang-)Landschaft. Ganz anders präsentierte sich dagegen die reale Gegenwart am vergangenen Freitag, an dem es unaufhörlich aus wolkendüsterem Himmel nässte. Zwei Seiten einer „Sommer“-Medaille, wobei die Vivaldische „Jahreszeiten“-Klangvariante wenigstens die Seele zu erwärmen vermochte. Als Vermittler stellte sich das Berliner Mozart-Ensemble zur Verfügung, das im Rahmen der vom Verein „Musik in brandenburgischen Schlössern“ regelmäßig veranstalteten „Klassiktage Berlin“ auch immer wieder zu einem Abstecher nach Potsdam einlädt. „Ein besonderes Ambiente in Verbindung mit klassischer Musik“ sei das Markenzeichen der Reihe „Perlen der Klassik“, die in Berlin an Orten wie Schloss Köpenick oder Zitadelle Spandau, an süddeutschen und österreichischen Stätten (Rokokotheater Schwetzingen, Königsschloss Herrenchiemsee, Schloss Schönbrunn) erklingen. In der gut besuchten Friedenskirche fädelte das Ensemble Vivaldis „Vier Jahreszeiten“-Zyklus, Bachs f-Moll-Cembalokonzert und Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ zu einer Hit-Kette auf.
Was die Besetzungen betraf, hielten sich die Musiker durchweg an die Anweisungen der Komponisten. So forderte Vivaldi für seine vier dreisätzigen Violinkonzerte nach dem klar gliedernden Ritornellprinzip nur nach einem chorisch besetzten vierstimmigen Streichersatz und Basso continuo. In dieser spartanischen Sechs-plus-Eins-Besetzung enthüllten die jahreszeitlichen Offenbarungen ihre ganzen tonmalerischen Schönheiten und formalen Strukturen. Fast brauchte es nicht der Erinnerung an des Meisters eigene, den Konzerten vorangestellte Sonette, um die plastisch klangmodellierten Geschehnisse zu verstehen. Frisch und mit glasklarem Ton der Sologeige (Kana Sugimura) wurde der Frühling herbeizitiert, warb der Winter mit geradezu frostklirrender, spröder Saitenschärfe für seine Schönheiten wie einer geruhsamen Schlittenfahrt mit Pferdegetrappel. Dabei überzeugte die Solistin mit straffer Bogenführung, saitenanreißerischen Kurzattacken, makelloser Intonation und ihrer Lust an raffinierten Farbspielereien. Und so lauschte man vergnügt dem Vogelgezwitscher, sommerschwitzte gehörig, ging auf die herbstliche Jagd, genoss die Freuden des Weins und des Tanzes, fröstelte und hatte Angst, auf dem Eis einzubrechen.
Abgespeckt bis auf die Nervenstränge zeigte sich auch die Begleitung zum f-Moll-Konzert BWV 1056 von Johann Sebastian Bach, dessen Solopart die Cembalistin Sabina Chukurova fragil, intim und rauschend tastatierte. Doch auch sie war letztlich immer wieder in den Instrumentalklang als eine weitere Ensemblestimme eingebettet. Und auch Mozart forderte für seine nächtliche Serenade KV 525, von der man alle möglichen Klangvarianten bis hin zum größeren Streichorchester kennt und in den grauen Zellen abgespeichert hat, bekanntermaßen nur zwei Violinen, Viola, Cello und Kontrabass. Was den an historischer Aufführungspraxis nicht Interessierten sicherlich merkwürdig klangdünn vorkommen mag, ließ die Hörspezialisten dagegen nicht nur innerlich jubilieren. Dieser frische Wind blies sowohl allen möglichen Puderzucker als auch die Patina romantischer Sentimentalitäten hinweg. Schade nur, dass im Überschwang dieser temposchnellen und robusten „Rekonstruktionsmaßnahmen“ jeglicher Serenadenton, fast alle Geschmeidigkeit und Romanzeninnigkeit auf der nächtlichen Jogging-Strecke blieben. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: