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Kultur: Klänge zur Gemütsergötzung Bachtage feiern Geburtstag der Orgel in St. Nikolai

Man soll die Feste feiern wie sie fallen, sagt das Sprichwort. Da am 4.

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Man soll die Feste feiern wie sie fallen, sagt das Sprichwort. Da am 4. September 2005 die mechanische Altarorgel der Nikolaikirche festlich eingeweiht wurde, ist es drei Jahre später Grund genug, das Ereignis gebührend zu feiern. Doch eigentlich ist die „Königin“ schon 54 Jahre alt, und ihre Geburt vollzog sich im Hause der Berliner Orgelbaufirma Karl Schuke. Dann kam sie in treusorgerische Hände einer Gemeinde in Essen, deren baufälliges Gotteshaus später abgerissen werden musste. Wohin mit der intakten Orgel, ihren fast 1600 Pfeifen für 21 Register? Der touristische Zufall half, und so kam das Instrument als Schenkung in die Nikolaikirche, deren Orgelpositiv sich nur für gottesdienstliche Aufgaben eignete. An ihrer Stelle baute die Kreienbrink-Orgelbaumanufaktur aus Osnabrück das neue Instrument auf, ergänzte defekte Teile, schuf eine dem Raum angepasste Klangdisposition. Seither sind auch wieder „richtige“ Orgelkonzerte möglich.

Im Rahmen der Potsdamer Bachtage brachte Björn O. Wiede das Geburtstagsständchen „Favorit Bach“ dar. Mit einem „Programm des Lobens, Dankens und der Gemütsergötzung“, wie er es zuvor in seinen Gratulationsworten benannte. Zum festlichen Entree erwählte er die G-Dur-Toccata von Johann Adam Reincken, deren frei fantasierende Abschnitte er farbenreich registrierte. Das Rauschhafte der Komposition verblieb allerdings im Rahmen des der Orgel Möglichen. Das Ergebnis: eine aparte kammermusikalische Klangvariante des Stücks.

Auch im Falle von Johann Sebastian Bachs Toccaten und Fugen konnte man keine klanglichen Kraftakte im Plenum erwarten. Fest- und feierlich ging es dennoch zu. Den F-Dur-Doppelpack BWV 540 spielte er als ein Dankstück in der Art eines „Sanctus“: jubelnd und glanzvoll. Doch auch an der erwarteten Wucht der d-Moll-Variante BWV 565 mangelte es baubedingt. Virtuos, in ungewohnter Registrierung erklang sie: statt orgelnde Bassfülle vorführen zu können, betonte Wiede die Brillanz von Diskantstimmen. Für die G-Dur-Triosonate BWV 530 zog er leuchtkräftige und zartglitzernde Soloregister. Die schnellen Ecksätze spielte er mit gemilderter Prinzipalschärfe, das Lento im Mezzoforte und herrlich stimmungsweich. Im d-Moll-Concerto, einer Adaption von Vivaldis Concerto grosso op. 3 Nr. 11, ließ der überraschungsreiche Wiedesche Registrierungsplan das Original mit seiner italienischen Kantabilität aufscheinen.

Dass Johann Sebastian Bach nachfolgenden Komponistengenerationen als Favorit diente, bewies sich an diesem Abend mit Felix Mendelssohn Bartholdys Präludium und Fuge d-Moll aus op. 37. Dessen rezitativischer Beginn, durch Stützakkorde gegliedert, geriet dunkelgetönt und gemächlich. Virtuose Läufe gewannen stetig an Volumen, Bewegungsintensität, Ausdrucksdichte. Als Bachscher Formbewahrer erwies sich auch Robert Schumann in seinen höchst bedeutsamen Fugen-Auseinandersetzungen über das B-A-C-H-Thema (op. 60), von denen der Organist zwei zu Gehör brachte. In der ersten offenbart sich das Thema in einem Pedalsolo, dann steigt es crescendierend aus der Tiefe ins Helle, wobei es seinen getragenen Ausdruck beibehält. Nicht so zergrübelt, dafür umso lichter zeigt sich die zweite Fuge, deren klangprächtiger Schluss vom effektvollen Geklingel des Zimbelsterns gekrönt wurde. Die kleine Hörgemeinde zeigte sich von der Geburtstagsfeier außerordentlich angetan.

Peter Buske

Peter Buske

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