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Kultur: Klangerotik zum Schmachten „Don Juan“-Variationen

im Nikolaisaal

Stand:

im Nikolaisaal Ein Mann, der immer kann. Ist“s das allein, was Frauen am starken Geschlecht so lieben? Mitnichten. Er sollte attraktiv ausschauen, treu und aufmerksam sein, über gute Manieren verfügen Haben jedenfalls die Forscher festgestellt. Wo gibt“s das heute noch in einer Mannsperson?! Früher, ja, da gab es mit Don Juan, auch Don Giovanni genannt, einen nachgerade europäischen Mythos, der über diese begehrenswerten Eigenschaften verfügt haben soll. Ob“s wohl stimmt? Ein gefundenes Fressen für Maler, Dichter und Musiker, sich seiner Vita zu bemächtigen. Und so bilden die amourösen Abenteuer des berühmten Frauenhelden die Grundlage für den Saisonauftakt der „Klassik am Sonntag“-Reihe im Nikolaisaal. Die Brandenburger Symphoniker unter Michael Helmrath stellen sich für das frivole Vorhaben zur Verfügung. Wie stets weiß der moderierende Clemens Goldberg eine Menge über den Weiberverschlinger und seine künstlerischen Verherrlicher zu berichten. Mit seiner gleichsam potenzträchtigen Musik zur Ballett-Pantomime „Don Juan ou Le festin de Pierre“ weiß Christoph Willibald Gluck gleichsam imperialen Glanz zu verbreiten. In einer Auswahl kurzweiliger Tanznummern erlebt man assoziationsreiche Klänge – wenn man denn das da Pontesche Libretto von Mozarts „Don Giovanni“ im Hinterkopf hat. So mag Gravitätisches für das Erscheinen des Komturs stehen, ein Streicherpizzicato für Ballfreude. Die abschließende Höllenfahrt des Don Juan erinnert stark an den Furientanz aus Glucks „Orpheus und Eurydike“. Effektvoll wird es von den Brandenburger Symphonikern ausgespielt, die zudem sehr klangbeweglich, schlank und federnd musizieren. Ohne krachledernes Auftrumpfen, dennoch dramatisch geht es in Ausschnitten aus Mozarts „Don Giovanni“ zu, in denen der Titelheld allerdings und unverständlicherweise gar nicht in Erscheinung tritt. Mit Donna Anna (kraftlodernd und stählern in sopranistischem Rachedurst: Johanna Stojkovic) und Don Giovanni (lyrisch mit heldischem Glanzanstrich: Jörg Dürmüller) kommen zwei der von den Trieben und dem Treiben des Protagonisten Betroffenen zu Wort. Hat Donna Anna nun mit ihm oder hat sie nicht? Die Sängerin lässt die existenzielle Frage in ihren gradlinigen Vorträgen von Rezitativen und Arien leider unbeantwortet, worauf sich Ottavio – ein Mannsbild, kein Weichei – so seine Gedanken macht („Il mio tesoro“). Auch im leichtgewichtigeren „Don Giovanni“-Gegenstück von Mozart-Zeitgenosse Giuseppe Gazzaniga weiß er als draufgängerischer Bräutigam mit seiner leichtgeführten und klaren Stimme ebenfalls zu überzeugen. Da er zudem noch eine Giovanni-Arie singt, kommt vokaliter wenigstens einmal der Protagonist des Unternehmens mit einem ariosen Verführungsversuch zu wenig schmelzendem Tenorwort. Johanna Stojkovic sucht diesmal als Elvira den Verführer mit Legato und herausgeschleuderten Höhen gleich Blitzen zu bezirzen. Flink und locker musizierend, beteiligen sich die Musiker mit Lust und Laune am Geschehen. Abschließend stürzen sie sich lautstark und vehement und glückselig in die Turbulenzen von Richard Straussens Tondichtung „Don Juan“. Da können sie die Klangfarbenreize der Partitur auskosten, in der wahrlich berauschenden Liebesszene schmachten und schwelgen. Doch auch der melancholischen Ermattung („der Brennstoff ist verzehrt“, wie es in Lenaus Gedichtvorlage so trefflich heißt) sind sie feinfühlig auf der (Klang-)Spur. Nun ist er ein Mann, der nimmer kann. Der Beifall brandet. Peter Buske

Peter Buske

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