Kultur: Klangfurioses Triotreffen
Ensemble Baroque bei den Bachtagen in der Friedrichskirche
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Ensemble Baroque bei den Bachtagen in der Friedrichskirche Was erklingt in originaler Besetzung, was in bearbeiteter Fassung? Wer hat diese verfertigt und nach welcher druckgelegten Vorlage? Wieder einmal darf sich der wissensdürstende Musikfreund als Rätselrater betätigen, denn der Programmzettel für das Potsdamer Bachtage-Kammerkonzert unter dem Titel „Bach und die europäische Musik“ in der Babelsberger Friedrichskirche mit dem Ensemble Baroque aus Bremen lässt ihn darüber im Unklaren. Und auch dem Cembalisten Jörg Jacobi gelingt es bei seinen erläuternden Anmerkungen zu Werk und Verfasser nicht, Licht in das Dunkel zu bringen. So bleibt leider (barock-)verworren, was nach aufklärerischem Erkenntnisgewinn verlangt hätte. Nicht so der musikhörende Ertrag des reizvollen und stimmungsvollen Abends, der mit seinen aparten und intimen Stücken in diesem annehmbar besuchten Gotteshaus bestens aufgehoben ist. Die Werkauswahl spürt den Beziehungen Bachs zu Kollegen und deren mannigfaltigen stilistischen Einflüssen nach. Einzig ein Stück erklingt auf dem Instrument, für das es niedergeschrieben ist, dem Cembalo. Es führt sich als die Kopie eines klein geratenen und daher italienischen Modells aus der Mitte des 17. Jahrhunderts vor, das über geteilte Obertasten verfügt. Auf ihm spielt Jörg Jacobi das Concerto g-Moll BWV 975, die Bachsche Adaption eines Vivaldi-Werkes (aus „La Stravaganza“ op. 4 Nr. 6). Die reich arpeggierte Melodiestimme lässt der Instrumentalist durch sein brillantes Tastatieren geradezu rauschhaft aufblühen. Trotz seiner Kleinheit erzeugt das Cembalo einen erstaunlich großen, tragfähigen Ton, der sich – wie im Largo deutlich zu vernehmen ist – auch ganz von einer intimen Seite zeigen kann. Mit diversen Bauausführungen einer Blockflöte geht Martina Bley ins klangfuriose Rennen. Ob Sopranino oder Altblockflöte, Tenorvariante oder die menschliche Stimme nachahmender Version (vergleichbar dem „Vox humana“-Register der Orgel) – die Blockflöte erweist sich fast immer als melodieführendes Instrument. In der (nunmehr transponierten) Sonata F-Dur BWV 1035 ersetzt sie die ursprünglich vorgesehene Querflöte, die von einem bezifferten Bass (von Bach dem Klavier zugedacht) begleitet wird. In diesen teilen sich das Cembalo und das Fagott (Elke Filthut), das in diesem wie in den meisten der anderen Stücke nur die Stützakkorde ähnlich einem Orgelpedal liefert. Zu Dritt bemüht man sich um einen funkelnden, frohsinnigen und virtuosen Ton, um ein erfreulich lebendiges, pointiertes und klartönendes Musizieren. Vivaldis ursprüngliche Violin-Sonata VI g-Moll (aus der Oper „Il pastor fido“) bringt es auch in der Triofassung zu einem tänzerisch-beschwingten Eindruck ihres virtuosen Saiten-Anspruchs. Was auch daran liegt, dass die barockgeschulte Bläserin langsam, aber sicher zu den Tugenden eines ruhigen und stetig fließenden Luftstroms findet, „plärrig“ klingende Eskapaden unterlässt, sich von belanglosem und beliebigem Ausdruck endlich entfernt. Die g-Moll-Suite aus „Der getreue Musikmeister“ von Telemann wird von ihr mit dem durchdringenden Ton des Sopraninos angeführt. Dieser Musik zur Zerstreuung setzt das Ensemble Baroque mit zwei Bachschen Choralbearbeitungen ein besinnliches Pausenfinale, wobei im „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 das Fagott erstmals aus seiner Stützstrumpfmasche entlassen ist. Auch in Couperins „Sixieme Concert“ B-Dur darf es sich mitunter von seiner melodiesingenden Seite zeigen, wenn es beispielsweise im Siciliene-Satz unisono mit der Blockflöte in Erscheinung tritt. Ansonsten herrscht klangliche Dreieinigkeit vor, wenngleich im „Air de diable“ das Sopranino dem Höllentreiben alle Ehre macht. Was wieder einmal hörbar bestätigt, dass es in der Hölle abwechslungsreicher zugeht als im Elysium. Nicht weniger ausgewogen zeigt sich das Trio bei einer Aria nebst vierzehn Kanons aus dem 2. Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von Gatte Johann Sebastian. Dass dieser auch von Corelli und seiner Sonatensammlung für Violine op. 5 wusste, darf angenommen werden. Präludierend setzt das Cembalo ein, gefolgt von der Blockflöte, die durch wechselnde Größe und Klangproduktion jedem Satz ein eigenes Gepräge gibt. Die geigerische Virtuosität wird nicht unters Notenpult geblasen, sondern teilt sich in quicklebendigen Allegri unverstellt mit. Den Klangreferaten über Bach und seiner europäischen Geistesgenossen fällt herzlicher Beifall zu.Peter Buske
Peter Buske
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