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Kultur: Klanggesäusel

Organist George Bozeman in der Friedenskirche

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Bei fünfzig Prozent Frauenquote geriete der Gleichstellungsbeauftragte manches Unternehmens ins Schwärmen. Oder ins Träumen. Beim Konzert des Internationalen Orgelsommers, diesmal wieder in der Friedenskirche, gab es dazu reichlich Gelegenheit. Hatte der Texaner George Bozeman, Organist, Orgelbauer und Kirchenmusikdirektor an der First Congregational Church in Pembroke//New Hampshire, für sein Programm doch nicht nur Noten von zwei Komponistinnen im Reisegepäck, sondern durchweg romantische Stücke auch der beiden männlichen Kollegen, in denen die Seele nach Herzenslust baumeln konnte.

Zur Einstimmung reicht der Organist mit der c-Moll-Fantaisie op. 16 von César Franck ein verspieltes, mehrteiliges Stück dar, das auf der sinfonisch disponierten Woehl-Orgel mit ihrem „französischen“ Manual aus prächtigen Zungenstimmen bestens aufgehoben ist. Breit fließt der Klangstrom. Langsam schwillt er an, um später einen gleichsam still ruhenden See zu bilden. Doch ehe es soweit ist, sorgen akkordische „Stromschnellen“ für ein wenig Abwechslung. Ein ständiges An- und Abschwellen von liedhaften Eingebungen mit Eruptionen sorgt gelegentlich für ein Wechselbad der Gefühle.

Ständig wabert es zwischen hell und dunkel, laut und leise, schnell und langsam. Jalousieschweller, Tremulant und Crescendowalze werden reichlich genutzt, wobei sich die zunächst überraschenden Effekte rasch abnutzen. Auch die poetischen Stücke der beiden tonsetzenden Damen haben unter diesen ständigen Zuckergussambitionen des Organisten zu leiden. In extremer Diskantlage ist ein ausdruckssparsames Allegretto der weithin unbekannten Komponistin Katharine E. Lucke (1875-1962) angelegt. Hübsch anzuhören, als würde funkelndes Mondlicht die Nacht erhellen. Der in Gefilden der U-Musik siedelnden niedlichen Nichtigkeit, sicherlich fürs Klavier komponiert, folgen „Vier flüchtige Stücke“ op. 15 von Clara Wieck-Schumann (1819-1890). Um die Intimität der fürs Piano bestimmten Visionen zu betonen, setzt Bozeman auf Zungenstimmen und ihr Gesäusel. Was dazu führt, das jegliche Poesie durch die bereits erwähnten Registrierungsmätzchen zum Klangkitsch mutiert. So angehört, dürften sich die Vertreterinnen des schönen Geschlechts kaum für Führungspositionen empfehlen – was nicht unbedingt an ihren mangelnden notensetzerischen Fähigkeiten läge, sondern eher an der ungenügenden Interpretation ihrer „Bewerbungsunterlagen“.

Statt klangfarblich aufgehübschtem Süßkram gibt es abschließend mit Charles-Marie Widors gewichtiger, klanggewaltig vorgestellter 4. Orgelsymphonie f-Moll größtenteils klangliche Vollkornkost. Da finden sich in der Toccata hingemeißelte Akkordblöcke, eine düstere und formenstrenge, unerbittlich schreitende Fuge, aber auch ein säuselndes Andante und ein elfenhuschendes Scherzo à la Mendelssohn. Letztere Sätze trägt George Bozeman natürlich wieder in weichzeichnender, verspielter Manier vor. Viele konnten sich mit ihr auf beifallsfreudige Weise anfreunden. Peter Buske

Peter Buske

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