zum Hauptinhalt

Kultur: Klangintensiv

Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam

Stand:

Viel wurde bislang versucht (und auch erreicht), die Werke der Wiener Klassiker vom Schlendrian einer romantisierenden Sicht- und Spielweise zu befreien. Beim 2. Sinfoniekonzert im ausverkauften Nikolaisaal setzte die Kammerakademie Potsdam unter Leitung von Michael Sanderling bewusst auf ihr gebräuchliches Spielgerät, dem man den Geist historisierenden Musizierens einzuhauchen versuchte. Einen Zugewinn an Authentizität versprachen sich die Musiker dabei von einer Sitzordnung, bei der die ersten Geigen (flankiert von den Bratschen) den zweiten (begleitet von den Violoncelli) gegenüber sitzen. Um Beethovens eingangs erklingender Sinfonia pastorale F-Dur op. 68 die Krone historischer Glaubwürdigkeit aufzusetzen, spielte man in einer beethovenauthentischen Besetzung mit acht ersten Geigen. Dies zum Sichtbaren. Das Hörbare überrascht nicht weniger.

Klanglich geschärft, weil mit wenig Vibrato gespielt, im Tempo stark angezogen und dynamisch sehr differenziert geraten die Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande. Heiter sind sie nicht immer, mitunter etwas bärbeißig. Sollte dies Beethovens Charakter verdeutlichen? Doch durch diese Lesart entdeckt man das reichlich „abgespielte“ Werk gleichsam neu. Sanderling macht Feinheiten erkennbar, über die andere Dirigenten einfach hinwegschlagen. Seine Anweisungen sind sehr präzise. Auffallend weich und warm getönt erklingt die „Szene am Bach“ – ein überraschender Kontrast zum Vorherigen. Da lässt sich seelenentspannt den pastoralen Stimmungen nachlauschen, den vorzüglichen Bläsersoli von Klarinette (Johannes Zurl), Oboe (Emma Black) und Flöte (Stephanie Winkler) hellwachen Sinns zu horchen. Energiegeladen führt sich das Landleben vor. Mit lautmalerischen Urgewaltfinessen entladen sich „Gewitter, Sturm“. Schnell kommt es, wirbelt die Feiernden gehörig durcheinander, zieht ebenso eilig wieder ab. Das Erwachen „froher und dankbarer Gefühle“ vollzieht sich nicht als sentimentale Ergießungen, sondern scheint von pantheistischen Gedanken erfüllt. Besinnlich ertönt der Abgesang. Beethoven hätte sich gefreut.

Nach der (vorgezogenen) Pause sind die zweiten Geigen an die Seite ihrer Schwestern gerückt, haben die Plätze für die traditionell rechts sitzenden Celli geräumt. Ein wenig aufgeregt erwartet man den Auftritt von Konzertmeisterin Yuki Kasai, die den Solopart von Mozarts 1. Violinkonzert B-Dur KV 207 spielen und damit zugleich ihr Konzertexamen ablegen wird. Kraftvoll ist ihr Bogenstrich, mit dem sie, fern des Verspielten, einen straffen Ton erzeugt. Technisch brillant eilt sie durch die ungestümen Ecksätze, in denen der 19-jährige Salzburger das instrumentale Ariensingen noch als sein Markenzeichen erfunden hatte. Im Adagio ist“s vorhanden, was Yuki Kasai tonschlank und ausdrucksinnig sogleich vorführt. Vom Orchester wird sie gleichsam auf Händen getragen. Kollegen wie Publikum sind einhellig der Meinung: sie hat die Prüfung ausgezeichnet bestanden. Als Extraprogrammpunkt „unerhört?gehört!“ gibt es das Rondo KV 269, von Mozart als finalen Alternativsatz fürs B-Dur-Konzert gedacht. Vielleicht würde er, weil feinsinniger und nicht so vordergründig vital, doch zu KV 207 passen!?!

Den Abschluss bildet Dmitri Schostakowitschs Kammersinfonie op. 83a, einer Barschai-Bearbeitung des 4. Streichquartetts. In großer gestalterischer Intensität, klanglicher Schärfe und dynamischer Intensität kommt sie daher, pendelt zwischen beklemmendem Klageton, verzweiflungsvollen Aufschreien, gespenstischer Groteske und choralartigem Abgesang. Ergriffenem Schweigen folgt allmählich die Beifallserlösung.Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })