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Kultur: Klangkathedralen

1. Symphoniekonzert zum Saisonstart im Nikolaisaal

Stand:

Unter seinem neuen Chefdirigenten Howard Griffiths lebt das Brandenburgische Staatsorchester richtig auf. Deutlich hörbar war dies beim ersten Symphoniekonzert im Nikolaisaal Potsdam. Mit Werken von Anton Dvorak, Max Bruch und Felix Mendelssohn standen eng miteinander verwandte Klassiker der Romantik auf dem Programm. Absolute Musik oder „reine Tonkunst“, das Ideal des bürgerlich-nationalstaatlichen 19. Jahrhunderts, wird ja im Allgemeinen nicht in Reinkultur geboten. Doch die Beschränkung auf diese Epoche kam vermutlich der Gunst vieler Konzertgänger entgegen.

Schon Anton Dvoraks Konzertouvertüre „In der Natur“ mit ihrem durchaus konzeptionellen Titel zielt in den Bereich der vermeintlich unabhängigen, autonomen Tonkunst. Sie war kein Vorspiel zu einer Oper, sondern eine selbstständige Tondichtung für den Konzertsaal, das öffentliche Kunstforum des Bürgertums. Dementsprechend groß besetzt, mächtige Klangräume und weite Gedankenfelder erschließend, kommt sie brausend-bewegt daher. Unter der Leitung von Howard Griffith erklingt die „Natur“ oder das Vorspiel zur Natur schwungvoll und beherzt, effektvoll und kontrastreich, voller dynamischer Wechsel und Klangreize aller Art, wozu natürlich auch das Dvrorak-typische Triangelklingeln gehört.

Ein Klassiker im Virtuosengepäck ist das Violinkonzert g-moll von Max Bruch. Fast alle anderen Werke dieses Komponisten sind heute vergessen, was er übrigens selbstkritisch kurz vor seinem Tod voraussagte. Auch prophezeite Bruch den großen Erfolg von Johannes Brahms in der Zukunft. Wie ein kleiner, früher Vorwurf von Brahms“ monumentalem Violinkonzert wirkt das zwanzig Jahre früher entstandene von Max Bruch. Die frappierenden Ähnlichkeiten sind wohl Joseph Joachim zu verdanken, jenem berühmten Geiger, der eng mit Bruch und auch mit Johannes Brahms bei der Komposition dieser Konzerte zusammenarbeitete. Wie auch immer – für den jungen russischen Violinisten Valeriy Sokolov ergab sich eine prima Gelegenheit, sein stupendes Spiel zu präsentieren. Er verfügt über einen elegisch schmelzenden Ton, spielt vibratoreich, meistert selbst schwierigste Doppelgriffpassagen elegant und klangvoll. Mit weichem legato und zündenden, niemals grellen Spitzentönen entwirft er eine prächtige Klangkathedrale, ganz im Sinne des romantischen Musikideals.

Herzlicher, begeisterter Beifall, für den es eine schöne Zugabe mit der zarten Sarabande aus Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 2 d-moll gibt. Mit Felix Mendelssohn-Bartholdys erklang ein vollendetes Beispiel symphonischer Tonkunst, das von Howard Griffith mit einigen humorvollen Worten eingeleitet wurde. Äußerst delikat spielt Mendelssohn mit den Klangfarben und Hörerwartungen. Aufrührerisch, düster, stürmisch erklingt das Allegro des ersten Satzes, auf den ein tänzerisches Vivace folgt, in dem viele schöne Solo-Bläser-Passagen aufleuchten. Herbe, gesanglich, mit edlem Ernst und sehr erhebend gelingt das Adagio in A-Dur. Im ungewöhnlich kriegerischen Finalsatz mischen sich Pauken, Hörner und Fagotte mit tanzenden Violinen bis alles im Maestoso feierlich mit großer Geste ausklingt, übertönt von milden Hörnerfanfaren.

Viel Beifall für das wackere Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt(Oder) unter der ingeniösen Leitung von Howard Griffith.

Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern D

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