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Kultur: Klangköstlich

„American Way of Music“ im Nikolaisaal

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„Unterhaltsam, beschwingt, klangmalerisch, lärmend bis sentimental, kurzum: typisch amerikanisch“ werde es zugehen, so Clemens Goldberg bei seiner Anmoderation des „Klassik am Sonntag“-Konzerts im Nikolaisaal, wenn die Brandenburger Symphoniker unter Leitung von Michael Helmrath vom „American Way of Music“ erzählen wollen. Ein Versprechen gegen den Winterblues, das sich alsbald auf die spielfreudigste und vergnüglichste Weise einlöst.

Also ab in den sonnigen Süden, nach Florida, auf die am St. Johns River gelegene Orangenplantage von Frederick Delius. Der ließ sich für seine Florida-Suite, aus der zwei Sätze erklingen, von der Landschaft, den Liedern und Tänzen seiner Arbeiter zu klangschönen Bildern anregen. Dass diese kein beschauliches Leben hatten, sondern gehörig schuften mussten, sparen die sehr kolonialistisch geprägten Klänge aus. Eine Musik ohne Schweiß und Muskelkater, dafür in puren Schönklang gegossen. Romantikpoesie, die sich fließend, wellenwiegend, dann wieder in ruhevoller Abendstimmung weitschweifend verbreitet. Die Musiker baden sozusagen in notennotierter Glückseligkeit.

Klingende Landschaftsbeschreibung betreibt auch Ferde Grofé mit seiner Mississippi-Suite, in der er von einer Reise auf dem Gewässer erzählt. Auch hier kann das Brandenburger Orchester in opulenten Klängen schwelgen, mit schmissiger Marschmusik auftrumpfen, sentimental swingen, beim Karnevalstreiben unbekümmertes Draufgängertum beschwören. Typisch amerikanisch führt sich ebenfalls die Ouvertüre zum Musical „Candide“ von Leonard Bernstein vor: laut, gemütvoll, knallig, temporasant. Eher vergnüglich, geistvoll, spritzig und witzig geht es in vier kurzen, jazzinspirierten Stücken von Leroy Anderson zu, der unter anderem eine Schreibmaschine in den Rang eines Konzertinstruments erhoben hat. Als bravouröser, rhythmisch sattelfester Tippser erweist sich dabei Matthias Dressler, der seinen Auftritt und Abgang sowie die einsatzerwartenden Hinwendungen zum Dirigenten lustvoll inszeniert. Dass die Brandenburger Symphoniker sich dabei im swingenden Bigbandsound bestens auskennen, versteht sich bei der vielseitig versierten, stets um einen sauberen und geschmeidigen Ton bemühten Truppe fast von selbst.

Um das Wesen der amerikanischen Musik restlos zu ergründen, muss man aber unweigerlich Station in Hollywood mit seinen Studios machen. Ein Eldorado nicht nur der Stars, sondern auch der Filmmusiker. Wie beispielsweise für John Corigliano, aus dessem Film „The Red Violin“ die Chaconne für Violine und Orchester erklingt. Dabei sind die einzelnen Variationen der barocken Form zu Episoden einer etwas kruden Story geformt. Sie handelt von einem Geigenbauer, seiner schwangeren Frau, einer weissagenden Frau, dem Tod der Gebärenden, deren Blut dem Geigenlack seine Farbe und dem durch die Zeitläufe weitergegebenen Instrument seinen unvergleichlichen Klang verleiht. Die einzelnen Wanderstationen sind, zwischen beunruhigend und besänftigend, zu originellen Episoden geformt. Weich und warm ist der süß aufblühende Ton der amerikanischen Geigerin Tai Murray, die mit betörendem Saitengesang zu bezaubern versteht. Und auch den romanzennahen Solopart aus John Williams‘ Titelmusik zum Film „Schindlers Liste“ weiß sie gefühlsintensiv zu gestalten. Das Publikum liegt ihr und den Musikern zu Füßen. Peter Buske

Peter Buske

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