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Kultur: Klangleuchtend und silbrig schimmernd

Orgelsommer-Konzert mit Hansjürgen Scholze in der Friedenskirche

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Auf der Woehl-Orgel der Friedenskirche lasse sich Barockes nicht adäquat wiedergeben? Hansjürgen Scholze, seit einen Vierteljahrhundert Domorganist der Kathedrale (Kath. Hofkirche) zu Dresden, bewies bei seinem Auftritt im Rahmen des Internationalen Orgelsommers das genaue Gegenteil.

In der eingangs erklingenden Ciacona in c von Dietrich Buxtehude (endlich einmal etwas anderes, als die in seinem Gedenkjahr gespielten Stücke wie C-Dur-Praeludium und d-Moll-Passacaglia) registriert er einen hellen, klaren, leuchtenden und silbrigen, kurzum: einen Silbermann-Klang, wie er ihn durch sein heimisches Arbeitsgerät über die Jahre schätzen und lieben gelernt hat. Er zieht nicht die effektvollsten Register und Kopplungen, sondern nur die passendsten! Die Woehl-Orgel dankt es mit aparter Klangfülle. Scholzes Feinzeichnung lässt das Stück bei allem gravitätischen Einherschreiten überaus lebendig und mit mancher hübschen Echowirkung aufklingen.

Vergleichsweise eilend, im Rhythmus der Glaubensfreude von schöner Leichtigkeit erfüllt und flötenzart im Diskant hingetupft, erklingt die Choralbearbeitung „Von Gott will ich nicht lassen“ BWV 658. Schlicht im Vortrag, als Ausdruck eines in sich ruhenden Menschen wird „Vor deinen Thron tret ich hiermit“ BWV 668 vorgetragen, Bachs letztes Werk. Schwellwerk und klangsamtige Zungenstimmen geben dem nach innenschauendem Abschiedsgesang einfühlsame Reflexion. Nicht weniger überzeugend der Einsatz des „Vox humana“-Registers für die Strophen der Melodie „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ BWV 642, die sich dadurch vom verzierungsreichen Spiel besonders eindrucksvoll abheben. Leichte Läufe bestimmen die hellgetönte Wiedergabe von Praeludium und Fuge g-Moll BWV 535, wobei letztere durch die Verwendung von Prinzipalstimmen eine gewisse Klangfestigkeit erhält: ohne durchdringende Schärfe und Vordergründigkeit. Es ist eben alles nur eine (wohldurchdachte) Frage der Vorauswahl aus dem reichhaltigen Woehlschen Registerfundus.

Aus diesem bedient sich Hansjürgen Scholze nach Herzenslust, um die A-Dur-Variationen von Bach-Schüler Johann Schneider (1708-1788) so raffiniert und abwechslungsreich wie möglich vorführen zu können. Nach Stationen in Saalfeld (Hoforganist) und Weimar (Kammerviolinist) kam Schneider nach Leipzig, wo er ab 1730 die Stelle des Organisten an der Nikolaikirche innehatte. Ein liedhaftes, einprägsames, gleichsam gassenhauerisches Thema ist Grundlage für herrlichste Verwandlungen. Galante Klänge gibt es zu hören, wobei manche Wendung an Mozartsche Stücke für eine Orgelwalze erinnern. In der Diskantlage funkeln, leuchten und strahlen die Solostimmen um die Wette, gibt es die vergnüglichsten Veränderungen, beispielsweise mit akkordeonähnlichen Klängen in einer Musette, bis hin zur melodramatischen Variante zu erleben. Heroisch klingt die knapp zwanzigminütige Vergnüglichkeit aus.

Ihr folgt zum Abschluss mit „Tu es Petrus“ (Du bist Petrus) des Norwegers Knut Nystedt (geb. 1915) ein beeindruckendes Charakterporträt von Jesu bevorzugtem Jünger und Apostel, seiner Standhaftigkeit, seinen Zweifeln und Anfechtungen. Akkordschichtungen und Cluster wechseln mit fließenden Klangflächen, das Schnarrwerk wird immer wieder mit dem Vierfuß-Prinzipal gekoppelt Der Organist versteht sich auch hier als überzeugender Klangdramaturg. Viel Beifall.

Peter Buske

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