Kultur: Klangmagie
„KAPmodern“ im Nikolaisaal-Foyer
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Musik entsteht durch Klänge, wodurch sonst, und die zeichnen sich bekanntermaßen durch eine harmonische Grundschwingung aus. Doch das Anblasen von Flöten oder das Bogenstreichen von Saiten erzeugt auch manches unerwünschte Geräusch. Dass sich das musikalisch klangvoll verwerten lässt, ist jenen Avantgardisten zu verdanken, die eine Erneuerung der herkömmlichen Musik anstreben – mit den ungewöhnlichsten Mitteln, etwa der Verwendung natürlicher Gegenstände wie Kauri-Muscheln. Hielte man sie ans Ohr, so höre man das Rauschen des Meeres. Stimmt nicht, aber wenn man sie nun mit Wasser füllte und drehend hin- und herbewegte? Dann hört man es glucksen, blubbern oder tröpfeln.
Von diesem geräuschhaften Klangzauber war auch John Cage (1912 – 1992) sehr angetan, der seine Komposition „Inlets“ nannte. Mit ihr begann das originelle, Verstand und Sinne gleichermaßen ansprechende „KAPmodern“-Konzert am Donnerstag im Nikolaisaal, das von Mitgliedern der Kammerakademie Potsdam bestritten wurde und unter dem Thema „Hören Sie das?!“ stand.
Leider nicht immer, müsste man allerdings antworten, denn das vom Band eingespielte Geräusch brennender Kiefernzapfen, wie es Cage einfordert, entpuppte sich als undefinierbares Verstärkerknistern. Umso deutlicher ließ sich ein grollend heraufziehendes Gewitter im Solo für Donnerblech „Wrong Answers to Robert B’s Wrong Questions“ des Spaniers Abel Paúl verfolgen. Geschüttelt und gerüttelt, beklopft, dann wieder gebogen und beratscht, erzeugte Perkussionist Friedemann Werzlau mannigfaltigste Illusionen von Regenvariationen, Sturmgebraus nebst diversen Glissandoeffekten, um titelgerechte falsche Antworten auf falsche Fragen zu liefern. Nicht weniger virtuos schlegelte er in „Molto perpetuo“ von Elliott Carter vier Pauken nach allen Regeln rhythmisch akzentuierter Raffinements. Ebenfalls mühelos beherrschte Flötistin Bettina Lange die Spieltechniken der Avantgarde, als sie die „Farben des Windes“ (Couleurs du vent) der in Paris lebenden Finnin Kaija Saariaho wiedergab. Außerordentlich expressiv ihr Spiel, staunenswert ihre Atemtechnik, wie sie mit und ohne Flatterzunge balsamische Brisen säuselnd wehen ließ, um sie wenig später in heulende Sturmböen und Orkane zu verwandeln.
Nach Sinnhaftigkeit mancher Komposition, bei der Natur auf Technik trifft oder Geräusch sich mit Performance verbindet, sollte man beim Hören nicht unbedingt fragen. Sondern sich vom einkomponierten Witz unmittelbar gefangen nehmen lassen. Wie in der Studie für Streichinstrument Nr. 3 für Kontrabass von Simon Stehen-Andersen, mit der Tobias Lampelzammer – mit präpariertem Bogen und einem auf ihn projizierten, zuvor aufgenommenen Video seines Spiels, sozusagen als Vexierbild – für viel Vergnügen sorgte.
Das hielt sich beim geräuschhaften Opus „On and Off and To and Fro“ des gleichen Komponisten eher in Grenzen, in dem akustische Instrumente auf Klänge übersteuerter Megafone trafen, deren Jaulen von Polizeisirenen und Rettungswagen einem allmählich auf die Nerven gingen. Dirigierpräzise hielt Susanne Zapft das Geschehen zusammen. Die „Clapping Music“ von Steve Reich faszinierte ob ihrer rhythmisch variierten Handklatschakrobatik. Geräusch pur. Peter Buske
Peter Buske
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