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Kultur: Klangopulent, bewegend und eindringlich Dvoraks „Stabat Mater“ in der Erlöserkirche

Mit seinen reichlich neunzig Minuten ist das „Stabat Mater“ von Antonin Dvorak die längste unter den bedeutenden Vertonungen der Klage Marias, die unter dem Kreuz ihres Sohnes Jesu steht und dessen Qualen und Tod betrauert. Persönliches Erleben des Komponisten – er beklagte den Verlust seiner Kinder – ist in das 1877 entstandene Opus eingeflossen.

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Mit seinen reichlich neunzig Minuten ist das „Stabat Mater“ von Antonin Dvorak die längste unter den bedeutenden Vertonungen der Klage Marias, die unter dem Kreuz ihres Sohnes Jesu steht und dessen Qualen und Tod betrauert. Persönliches Erleben des Komponisten – er beklagte den Verlust seiner Kinder – ist in das 1877 entstandene Opus eingeflossen. In dieser schweren Zeit half ihm sein Glaube, der ihm Trost und Zuflucht war. Gleichzeitig wollte er damit der katholischen Kirchenmusik in Böhmen einen Dienst erweisen. Es ist ihm gelungen.

Nicht weniger gelungen die klangopulente, von bewegender Eindringlichkeit geprägte Wiedergabe des Werkes am Samstag in der Erlöserkirche. Unter dem anspornenden Dirigat von Ud Joffe ist durchweg Briomusizieren in großen Bögen angesagt. Zwischen leidenschaftlichen Zuspitzungen, besänftigenden Betrachtungen und innigen Tröstungen findet der Dirigent zu einer beeindruckenden Geschlossenheit der unterschiedlichsten Stimmungsgehalte des einprägsam vertonten liturgischen Textes, einer mittelalterlichen „Stabat Mater“-Sequenz als Teil des Passionsgeschehens. Seelentröstungen, die niemanden unbeteiligt lassen.

Und so produzieren das Neue Kammerorchester Potsdam, die Potsdamer Kantorei und ein auf stimmliche Durchschlagskraft setzendes Solistenquartett eine emotionsgesättigte Sakralmusik. Dabei sind dem Chor, der sieben von insgesamt zehn Sätzen bestimmt, vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben anvertraut. Klangsatt und kraftvoll stimmt die Sangesgemeinschaft die düstere Klage des einleitenden „Stabat Mater dolorosa“ an, dabei ganz auf wuchtige Wirkung bedacht. Das Orchester liefert dazu das Fundament. Ein im Pianissimo lang angehaltener Ton verdeutlicht Marias regungsloses Verharren unter dem Kreuz. Er wird wiederholt und mündet in eine absteigende Klagelinie, deren Chromatik den Schmerz der wie versteinert Trauernden geradezu körperlich spürbar werden lässt. Der orchestrale Schmerzensaufruhr wird durch zunächst stockende, dann besänftigende Dolorosa-Klänge abgelöst. Nicht weniger beeindruckend der dritte Satz „Eja, Mater, fons amoris“ (Ach, Mutter, Quell der Liebe). Und so gerät das Mitleid mit Jesu Mutter immer mehr in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Dabei hält Joffe den Chorklang schlank, achtet auf gefühlsstarke Gestaltung, reine Intonation, präzise Textverständlichkeit. Den lyrischen, von Innigkeit und schmerzlicher Schönheit geprägten Abschnitten bleiben die Sänger der Potsdamer Kantorei genauso wie den dramatischen Passagen nichts schuldig.

Inbrünstiges, rational geprägtes Singen bestimmt auch den Vortrag der Solisten, die fast durchweg über ausladende, strahlkräftige, leuchtende und verdigestählte Stimmen verfügen. Allen voran Marina Prudenskaja, die überaus bewegend das Alt-Solo „Inflammatus et accensus“ (Entflammt und entzündet) vorträgt. André Khamasmie begeistert mit dem heldischen Zuschnitt seines strahlkräftigen und höhenmühelosen Tenors. Raffaela Linti verfügt über einen nicht weniger kraftvollen, glanzvoll schwebenden Sopran, während Bassist Volker Maria Rabe auf die weiche Sonorität seiner Stimme vertraut. Das Finale greift die Thematik des Anfangs wieder auf, nunmehr vom Erlösungsgedanken geprägt. In hoffnungsvoller „Amen“-Innigkeit klingt das Werk aus. Peter Buske

Peter Buske

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