Kultur: Klangprächtig
Tobias Scheetz in der Friedenskirche
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Welche Stücke für ein Prüfungskonzert auswählen, um mit ihnen das Examen im Fach „Künstlerisches Orgelspiel“ zu bestehen? Natürlich die alten Meister mit Johann Sebastian Bach an der Spitze und ein nicht weniger erwünschtes Werk des 20. Jahrhunderts. Thomas Scheetz, Student der Kirchenmusikschule Görlitz, stellt sich am 21. Juni 1989 in der Lutherkirche der Prüfungskommission. Dass das Examen erfolgreich verlief, darf als gesichert gelten, denn sonst wäre Tobias Scheetz nicht Kreiskantor geworden. Heute verdient er sich seinen Unterhalt als freischaffender Organist, Chorleiter und Dirigent. So übernahm er beispielsweise im Winter vergangenen Jahres bis zum Amtsantritt von Kantor Joachim Walter die gesamten kirchenmusikalischen Aufgaben an der Friedenskirche. Deren Woehl-Orgel kennt er längst zur Genüge. Und so spielte er an ihr im Rahmen des Internationalen Orgelsommers am Mittwoch erneut und zwar sein einstiges Examenskonzert – sozusagen eine Art Silberne Hochzeit.
Die Zusammenstellung hat, selbst nach 25 Jahren, nichts von ihrer faszinierenden Wirkung eingebüßt. Den Auftakt bildet das d-Moll-Praeludium von Vincent Lübeck, einem Vertreter der norddeutschen Orgelschule. Erhaben und machtvoll im vollen Orgelwerk lässt es Tobias Scheetz ertönen. Viele Pedalsoli setzen gleichsam Achtungszeichen, ehe es immer wieder zu reizvollen Dialogen mit der prägnant punktierten Melodiestimme kommt. Durchweg klangstreng geht es zu. Nicht weniger festlichen Glanz strahlen Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge in e-Moll (BWV 548) aus, das sich tonsetzerisch im Vergleich mit dem vorher Erklungenen weitaus differenzierter, vielfältiger und damit einfallsreicher vorzeigt. Harmonische Zuspitzungen sorgen für innere Spannung, die Motive sind in klare und prägnante Form gebracht. Lieblich und lebendig, virtuos und verzierungsreich steuert der Organist das Werk in seinen finalen Fugenrausch. Sehr erbaulich.
Gleich einem gewaltigen Orchestertutti hebt die Einleitung zur „Mittelalterlichen Suite in Form einer stillen Messe“ an, die Jean Langlais, blinder Orgelvirtuose und Lehrer an der Pariser Schola Cantorum, anno 1947 geschrieben und für den Gebrauch in der katholischen Liturgie bestimmt hat. In ihren fünf Teilen kontrastieren dunkle Figuren verhauchende Akkorde und schnarrende Stimmen mit diskanthellen und ätherisch schwingenden, dann wieder meditativen Klangflächen. Das erinnert zuweilen an Olivier Messiaens dissonante Eingebungen, wenn es ums Schweben und Leuchten in Himmelsregionen geht. Jubilierend und scharf getönt, klangüppig und die Sinne vereinnahmend steigert sich die Klangliturgie ins Fortissimo. Nicht zum einstigen Prüfungkonzert gehörend sorgt das „Pastoral Interlude“ des US-Amerikaners Horatio Parker mit seiner elegischen Stimmung für eine seelenerbauliche Ruhephase, ehe der Zuhörer in die lautstärkeberstenden Kraftentladungen der Fantasie über den Choral „Wie schön leucht‘ uns der Morgenstern“ von Max Reger geschickt wird. Was der überaus erfinderisch textnah ausgedeutet hat, erfährt kongeniale Entsprechung durch das ausdrucksstarke, gedanklich tief lotende Spiel von Scheetz, der stets die passenden Register zieht oder den Tremulanten einsetzt. Eine beifallsumjubelte Meisterleistung – Prüfung erneut bestanden! Peter Buske
Peter Buske
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