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Kultur: Klangsinnlich

Saisonfinale im Nikolaisaal mit Berfin Aksu

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Einspringer, wahlweise auch -innen, für plötzlich absagende Künstlerkollegen haben es gut. Da liegt ihnen zunächst das Publikum zu Füßen, weil man mit seinem Auftritt kurzfristig das vorgesehene Programm gerettet hat, dann trägt es sie auf Beifallswogen vom Podium. Und ganz nebenbei hat man mit erfolgreich absolviertem Auftritt an seiner weiteren künstlerischen Karriere gebastelt. Ist man zudem noch 14 Jahre jung, scheint das Glück dieser Welt handgreiflich. Solches widerfuhr Berfin Aksu, geigerischer Jungstudentin der Universität von Ankara, als sie am Samstag beim Saisonfinale der Sinfoniekonzertreihe des Nikolaisaals den Solopart im Violinkonzert „1001 Nächte im Harem“ des türkischen Komponisten und Pianisten Fazil Say übernommen und bravourös bewältigt hatte. Zuvor bedurfte es nur einer Probe mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter Chefdirigent Howard Griffiths, um das rhythmisch attraktive, mit spieltechnischen Finessen reich gespickte Werk in den Griff zu bekommen.

In seinen vier, nahtlos ineinander gehenden Sätzen trägt die Solovioline gleich der Märchenerzählerin Scheherazade klangsinnliche und erotisch verführerische Impressionen vom Treiben in einem orientalischen Frauengemach vor. Spezifisch türkische Schlaginstrumente wie der halbkugelförmige und aus zwei Trommeln bestehende Kudüm, die flache Rahmentrommel Bendir und die einfellige Bechertrommel Darbouka sorgen für die entsprechende rhythmische Grundierungen, die Aykut Köseli als ein Feuerwerk virtuosester Handschlagsarbeiten vorgeführt, über die sich der Saitengesang der Solovioline glanzvoll erhebt. Schmachtend und vollmundig, saitengleitend oder -hart gezupft porträtiert Berfin Aksu diverse Haremsdamen, lädt die Hörer zu einer ausufernden nächtlichen Party nebst morgendlicher Erschöpfung sowie der träumerischen Erinnerung an das turbulente Geschehen teilhaben. An der gleichsam rhapsodischen Erzählung beteiligt sich das Orchester mit reizvollen Klangfarbenkombinationen (Kontrafagott, Oboe, Flöte, Harfe, Tuba). Dabei paart die Solistin wache Intelligenz nicht nur mit Gestaltungswillen, sondern auch mit -können. Sie stellt sich souverän und natürlich, sozusagen unbekümmert und psychisch unbelastet den geigerischen Herausforderungen wie beispielsweise einem amüsanten Vogelgezwitscher im langsam und leise ausklingenden Finale. Für ihr Alter leistet Berfin Aksu Erstaunliches, auch wenn ihr nicht alle Streichaktionen intonationssauber gelingen. Für die Ovationen bedankt sie sich mit einer romantischen Piece.

Zur Einstimmung in die klangsinnlichen Welten von Orient und Okzident spielen die Frankfurter den berühmten Tanz der sieben Schleier der Salome aus Richard Straussens gleichnamiger Oper: rasant und zupackend, dann wieder lasziv und verführungsintensiv, detailreich, schließlich in antischwülstige Ekstase mündend. Zum Abschluss erklingt Bela Bartoks gleichfalls klangraffiniertes Konzert für Orchester, in dem einzelne Instrumentengruppen auf die virtuoseste Weise miteinander wetteifern. Irisierende Klänge breiten sich filigran aus, Liedhaftes wechselt mit energiegeladenen Motorik, die sich wieder in lyrische, von innerem Leuchten erfüllte Betrachtungen verwandelt. Ein glanzvolles, umjubeltes Saisonfinale. Peter Buske

Peter Buske

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