Kultur: Klangspröder Sound voller Wärme „kleine cammermusic“ startete in zweite Saison
Kinder berühmter Eltern haben es nicht immer leicht. Meistens verschwinden sie in der Versenkung.
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Kinder berühmter Eltern haben es nicht immer leicht. Meistens verschwinden sie in der Versenkung. Die Sprösslinge von Johann Sebastian Bach brachten es zumindest teilweise zu Ruhm und Ansehen. Carl Philipp Emanuel beispielsweise. Nicht unbedingt dagegen Wilhelm Friedemann, Bachs Erstgeborener aus der Ehe mit Anna Barbara, der musikgeschichtlichem Vergessen anheim fiel. Grund genug für das Ensemble „die kleine cammermusic“, mit ihrem Programm „Im Schatten des Vaters“ für den größten Orgelimprovisator und Tastenvirtuosen seiner Zeit ein Plädoyer zu halten.
Damit starteten die Musiker unter Leitung von Wolfgang Hasleder, Spiritus rector des Ensembles und Initiator der kleinen, aber feinen Konzertreihe „Harmonia mundi – Musica coelestis“, die danach trachtet, die Harmonie der Welt mit der Musik des Himmels in ein dialektisches Verhältnis zu bringen, in ihre zweite Saison. Und wieder ist der Bürgerhaus-Saal im Schlaatzer Plattenbauviertel gut gefüllt, um einer Einführung mit nachfolgendem Konzert zu lauschen. Tags darauf gibt es ein klingendes Dacapo mit anschließendem Nachtgespräch über „Leben (und Sterben) im Berlin des 18. Jahrhunderts“.
Über ersteres plaudert der auch musikwissenschaftlich geschulte Geiger Wolfgang Hasleder ein wenig, der die Vita des 1710 in Weimar geborenen Wilhelm Friedemann Bach in Verbindung mit dem vielfältigen Musik- und Geistesleben der Metropole bringt. Es wird u. a. geprägt vom Hof der musenfreundlichen Prinzessin Anna Amalia und den Aktivitäten des jüdischen Bildungsbürgertums. Doch sein Ruf, ein unangepasster, eigensinniger, unzuverlässiger, intriganter, kurzum: ein problematischer Sohn Johann Seb. Bachs zu sein, legt ihm so manchen Stein in den Karriereweg. In Armut ist er gestorben.
Nach derlei Erläuterungen können die knapp vierzig Zuhörer endlich der Musik des Himmels lauschen. Am Beginn steht eine g-Moll-Ouvertüre für Streicher und Basso continuo, früher Johann Sebastian Bach zugeordnet. Als Ausgangspunkt für die Vater-Sohn-Beziehungen wegen der erwiesenermaßen falschen Autorenschaft daher kaum geeignet. Gab es nichts Passenderes aus der väterlichen Werkstatt? Das Stück ist „dick“ instrumentiert, thematisch einfallslos, homophon gesetzt – wahrlich nicht von dieser (Bach-)Welt. Die Musiker handhaben ihre alten Instrumente mit viel Wissen um historisches Musizieren und stimmen die Darmsaiten zuvor und zwischen den Sätzen ausgiebig. So entsteht ein zwar warm getönter, dennoch klangspröder Sound voller klarer und sauberer Intonation. Süßlich tönt die Aria, saitenfidel das Capriccio. Einzig das Violoncello (Kathrin Sutor) lässt sich nicht nur hier zu sparsamem Vibratogebrauch hinreißen. Auffallend, dass das Violone (Juliane Laake) permanent mit extremer Bogenkante streicht.
In Carl Philipp Emanuel Bachs Triosonate d-Moll für Traverso (Jana Semerádová), Violine (Hasleder) und das Continuo mit Cello und der exzellenten Cembalistin Sabine Erdmann viel klanglichen Charme und Galanterie herbei. Der gedeckte, dennoch flexible Klang der Traversflöte verhilft auch der G-Dur-Sonate von Johann Philipp Kirnberger, Vertreter der „Berliner Schule“, zu einem hörenswerten, mit kräftigem Atem geblasenen Mix aus Empfindsamkeit, Keckheit und Melancholie. Und in der B-Dur-Sonate von Wilhelm Friedemann Bach mischt sich kapriziöse Eleganz mit arioser Innigkeit. Aus galantem Stil und vermischtem Geschmack nähren sich auch Friedemanns zweistimmiges, figurativ wettstreitendes Duett für zwei Violen (Heinrich Kubitschek, Hasleder) und sein e-Moll-Cembalokonzert. Dramatisch geht es in den Ritornellen zu, unterbrochen von rauschenden Solopassagen. Beides verzahnt sich zu harmonisch oft überraschenden Wendungen. Sollte sich mit der impulsiven Aufführung eine Renaissance des Stückes einleiten?!Peter Buske
Peter Buske
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