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Kultur: Klangtrocken und prosaisch

Weihnachtskonzert für die ganze Familie mit dem Brandenburgischen Staatsorchester im Nikolaisaal

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Weihnachtskonzert für die ganze Familie mit dem Brandenburgischen Staatsorchester im Nikolaisaal Hat die Krawatte zum Anzug gepasst? Fand das Parfum den richtigen Riecher? War der Gameboy das ersehnte Spielzeug für die artigen Sprösslinge? Märchenhaft. Ein Märchenbuch lag nicht unter dem Weihnachtsbaum? Wenig märchenhaft. Dafür sprang das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt in die Bresche, das am Nachmittag des 1. Weihnachtsfeiertages die ganze Familie mit einem großen Sack voller musikalischer Märchengaben beschenkte. Der Nikolaisaal schien ob des Ansturms der Drei- bis Achtzigjährigen fast aus den Fugen zu geraten. Vor dem Konzert und in der Pause führten die lieben Kleinen voller Stolz ihre Puppen und Stofftiere spazieren, die sie tags zuvor auf dem Gabentisch vorgefunden hatten.   Durften sie vorher auch nicht das Wohnzimmer betreten wie Fritz und Marie, die Kinder des Medizinalrats Stahlbaum und Hauptgestalten in E.T.A. Hoffmanns fantastischer Erzählung vom „Nussknacker und Mäusekönig“? Peter Tschaikowski hat sie zu einem seiner berühmten Ballette vertont. Als Suite op. 71a sucht die konzertante Kurzfassung viel weihnachtlichen Zauber zu verbreiten. Den auszudrücken, darum bemühten sich die Frankfurter Musiker unter Leitung von Kapellmeister Oliver Pohl. Der Miniatur-Ouvertüre folgt der flott und detailgenau ausgebreitete Marsch, zu dessen Klängen die Armee des Mäusekönigs zu mitternächtlicher Stunde aufzieht. Dem Reich der Süßigkeiten entsteigt die Fee Dragee, die ihren Spitzentanz zu entzuckerten Klängen nebst Celesta-Zutaten (Wieland Bruch) absolviert.    Elegant und graziös, geradezu grazil im Flötenwind sich wiegend, bezaubert der Tanz der Rohrflöten. Auch wenn Klarinette (Christian Krech) und Fagotte sich um laszive Lüsternheit bemühen, halten sich die sinnlich-geschmeidigen bauchtänzerischen Bewegungen beim Arabischen Tanz dennoch in Grenzen. Dafür trumpft der Trepak, derb und schnell dargeboten, effektvoll auf. Im etwas erdenschweren Schweben, aber durchaus klangvoll, rauscht der Blumen-Walzer in einer eher soliden sinfonischen Variante vorüber. Was nur mag den Dirigenten bewogen haben, die anheimelnde Märchenstimmung in ein so wenig geschmeidiges und glanzvolles, klangtrockenes und prosaisches Geschehen zu verwandeln?    Die Poesie des Weihnachtsabends mit seinem Lichterglanz und Nüsseknacken verbreitete sich zuvor mit weitaus mehr Stimmung. Was an der literarischen Lobpreisung „Der Tannenbaum“ aus der Feder von Alexej Tolstoi lag, der in seiner Novelle feinsinnig und detailreich beschrieb, was vom Aufstellen übers Schmücken bis zum Behüten der Geschenke so alles am Weihnachtsabend passieren kann und muss. Als sprachgewandter und melodisch erzählender Weihnachtsmann, oder sollte man wegen des russischen Sujets besser sagen: Väterchen Frost, begeisterte Hans-Peter Minetti. Er schien sich in der Rolle des Märchenonkels sichtlich wohl zu fühlen. Hingebungsvoll lauschten ihm die Älteren genauso wie die (größtenteils leisen) Kleinen. Einige von ihnen fingen jedoch an zu quengeln. Waren sie einzig auf Prokofjews „Peter und der Wolf“ programmiert?   Nach der Pause war es dann soweit. Gespannte Aufmerksamkeit bei Groß und Klein, als das musikalische Märchen begann. Zum plastischen und prägnanten Musizieren gesellte sich das bildhafte, verschmitzte und humorvolle Sprachmelos von Minetti, mit dem er die handelnden Personen zu charakterisieren verstand. Die Fantasie war auf das Schönste angeregt, wenn er etwa den Disput von Ente („... und dann pluuusterte sie sich auf“) und Vogel schilderte, die dramatische Jagd der Katze nach dem herrlich tirilierenden Vogel beschrieb. Dazu lieferte das Orchester, rhythmisch präzise und mit nachgerade theatralischem Aplomp musizierend, nicht weniger genaue Klangszkizzen der mitspielenden Tiere und Menschen. Mancherlei Unsicherheiten bei den Einsätzen des Sprechers (bedingt durch ungenaue Zeichengebung des Dirigenten) waren dabei durchaus zu verschmerzen.   Mit diesem Hit endete ein märchenreicher Spätnachmittag, der mit Auszügen aus einer Suite aus der unbekannten Oper „Die Nacht vor Weihnachten“ von Nikolai Rimski-Korsakow sehr passend begann. Etwas Geheimnisvolles, aus Dunklem ins Helle Steigendem ging von der Einleitung (Frostiger Winterabend) aus. Festlich und pompös, ja geradezu lärmend ging es im Märchenschloss bei der Polonaise zu. Das mochten die Frankfurter, und so langten sie denn auch kräftig zu. Gefällig brach die „Morgendämmerung“ herauf. Das alles strahlte jedoch keinesfalls den instrumentatorischen Reiz einer „Scheherazade“ aus, sondern blieb eher nüchtern. Unverhofft durfte sich die Potsdamerin Uschi Herzog, treue Nikolaisaal-Besucherin, anlässlich ihres 50. über die Klanggratulation der Musiker in Gestalt einer Wunschmelodie freuen. Überraschung für Familie und Publikum restlos geglückt.  Peter Buske

Peter Buske

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