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Kultur: Klangverführer

Orgelkonzert mit Henri Ormieres

Stand:

Monsieur gleicht einem Feldherrn, dessen Volk, laut Grimmschem Wörterbuch, „ausz holtz und luft besteht“. Und aus Metall, muss man ergänzen. Denn Monsieur heißt Henri Ormieres und ist Organist der Kirche Saint Vincent in Carcassone. Er gebietet – nicht nur, aber hauptsächlich – über französische Klangregionen. Feldherrengleich und fantasiebegabt, wie er der zahlreich erschienenen Hörgemeinde bei seinem Auftritt im Rahmen des Internationalen Orgelsommers in der Friedenskirche nachdrücklich bewies. Die Woehl-Orgel mit ihrer französischen Disposition ist ihm dafür das geeignete Medium.

Überraschend klangprächtig, glanzvoll und trompetenstrahlend erklingt einleitend „Dialogue“ von Louis Marchand (1669-1732). Sonnenköniggleich breitet sich das virtuose Wechselgespräch aus. Gleich dem Tonsetzer fühlt sich auch Henri Ormieres als Virtuose auf der Orgelbank, der mit seinem raffiniert registrierenden Spiel einer überaus effektvollen Kontrastdramaturgie huldigt. So setzt er das Organo pleno gegen einen brillanten Registermix, weiche Zungenstimmen gegen kraftvolle Prinzipale. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, zumal er es gleichfalls vorzüglich versteht, gedankentief nicht nur in dieses Stück einzudringen. Er lässt tönende Baldachine entstehen, unter denen die Seele herrlich träumen und entspannen kann. Auch bei den Variationen über „Mein junges Leben hat ein End“ von Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621). In strenger Linienführung breitet er das Thema konturenklar aus, während er die Verwandlungen sinnfällig registriert: die Rohrflöte suggeriert Verhaltenes und Ätherisches, die Vox humana schnarrt Vergängliches.

Auch im „Tiento sobre la Letania de la Virgen“ von Pablo Bruna (1611-1679) spürt er mit gedeckten Stimmen den besinnlichen Litanei-Gedanken anschaulich auf, ehe sie sich vom Dunklen ins Helle wenden. Da er um stilistische Besonderheiten weiß, klingt durch ihn jeder Komponist ganz unverwechselbar. Auch Johann Sebastian Bach, dessen Praeludium und Fuge a-Moll BWV 543 im schlichten und klangkargen Klanggewand (gewebt aus Principal und Octave) schnörkellos daher schreitet. Dabei führt Ormieres den Fortgang der kontrapunktischen Entwicklung überschaubar, wie mit gefühlvollem Seziermesser vor.

Magischer Beschwörung gleicht die Wiedergabe des ersten Satzes aus Felix Mendelssohn Bartholdys A-Dur-Orgelsonate op. 65 Nr. 3, dem er in organisch sich steigernder Entwicklung jene Dramatik erzeugt, die der verwendeten Choralmelodie „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ ihre passende Wirkung verleiht. Bei den nun folgenden Franzosen fühlt sich Henri Ormieres natürlich ganz in seinem Element und als Klangverführer der S-Klasse. Das Finale der I. Orgelsymphonie von Spätromantiker Louis Vierne (1870-1937) braust als farbenprächtig funkelndes Orchestertutti daher, eines Hector Berlioz“ durchaus würdig. Das Raffinement der Registrierungen begeistert dabei ebenso wie mancherlei Echowirkungen.

In des Meisters Fantasiestück „Clair de lune“ hört man das Mondlicht impressionistisch a la Debussy leuchten, funkeln und schimmern. Mit der geradezu reißerischen Wiedergabe der berühmten Widorschen Toccata (Finale der V. Sinfonie) geht eines jener faszinierenden Orgelsommerkonzerte zu Ende, an das man sich gern erinnern wird.Peter Buske

Peter Buske

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