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Kultur: Klar, klassisch und kantabel

Mozart – weltlich und kirchlich – Das Neue Kammerorchester in der Erlöserkirche

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„Laudate dominum?“ - lautet der leicht provokante Titel des zweiten Konzerts der Vocalise, das zugleich das zweite Symphoniekonzert des Neuen Kammerochesters war. Das befehlende „Lobt den Herren!“ in eine Frage zu kleiden - solch eine offene Abweichung von der gesellschaftlichen Norm seiner Zeit wäre Mozart kaum in den Sinn gekommen. Zumindest seine Briefe bezeugen mehrfach eine tiefe innere Gläubigkeit. So schrieb er 1777 an seinen Vater: „Ich habe Gott immer vor Augen. Ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn. Aber ich erkenne auch seine Liebe, sein Mitleiden und Barmherzigkeit gegen seine Geschöpfe „

Im 19. und 20. Jahrhunderts gerieten Mozarts kirchenmusikalische Kompositionen, immerhin rund 80 Werke, ins Abseits und wurden bis auf wenige Ausnahmen als bloße Auftragsstücke abgetan. Mit seinem Mozart-Konzert in der Erlöserkirche unter der Leitung von Ud Joffe unternimmt das Neue Kammerorchester das ungewöhnliche Projekt, die scheinbar streng geschiedenen Bereiche zwischen weltlicher und kirchlicher Mozart-Musik einander gegenüber zu stellen. Das Ergebnis ist keine Überraschung: Rein musikalisch betrachtet gibt es kaum Unterschiede.

Die Ouvertüre zum Don Giovanni eröffnet den Abend in der mittelmäßig besetzten Erlöserkirche. Diesem skrupellosen Verführer und gottlosen Ketzer hat Mozart bekanntlich in seiner Oper ein besonders erfolgreiches Denkmal gesetzt. Vom düsteren D-moll in den Anfangsakkorden wechselt die Harmonie zum triumphierenden D-Dur, Mozarts bevorzugter Tonart für Frohsinn. Das Schlusspiano leitet übergangslos zu Leporellos erster Arie über, nur ist es hier die Motette „Exsultate, jubilate“, die Mozart als Sechzehnjähriger komponiert hat. Die junge Sopranistin Moica Erdmann gibt diesem jubilierenden dreiteiligen Gesangsstück Brillanz und Wärme, kann jedoch die außerordentliche Virtuosität nicht ganz durchhalten. Die unvergleichliche Melodie des „Et incarnatus“ aus der c-moll-Messe, wieder eine von Mozarts sehr persönlichen Tonarten, gelingt hervorragend – großartig auch das Idyll aus Holzbläsern und Stimme kurz vor Schluss. Orchestraler und vokaler Klangzauber ohne Grenzen ertönt in den kleineren Arien, darunter das musikalische Kleinod des zehnjährigen Mozart „Betrachte dies Herz“. Im großen „Laudate“ aus KV 339 erreicht das Zusammenspiel von Solistin, Kammerchor und Orchester ein Höchstmaß an Kantabilität und Poesie.

Die „Prager Symphonie“ gilt manchen als Höhepunkt in Mozarts Schaffen. Ein ausgewogenes, klassisches Werk, das ohne Rokoko-Menuett und fast ohne schmerzhafte Moll-Eintrübungen auskommt. Es dominiert D-Dur in vielen Variationen. Selbst wenn die Modulationen und Rhythmen vorher hörbar sind, kreiert Ud Joffe mit dem Neuen Kammerorchester eine höchst spannungsreiche, klare, konzentrierte Interpretation, die nie langweilig wird. Das Andante ist von konstanten rhythmischen Wellenlinien erfüllt, ein einziger Strom, aus dem Holzbläser leuchten und Celli dunkel aufblühen und zurücksinken. Verfolgen und Jagen, Necken und Nachahmen bestimmt das turbulente Finale, das mit klaren D-Dur-Dreiklängen endet.

So zeigt sich bei diesem Konzert, dass die Trennung in weltliche und kirchliche Musik bei Mozart ziemlich scholastisch ist. Wesentliche Elemente seiner Musik, Melodienreichtum, rhythmisches Feuer, Klarheit und Innigkeit finden sich gleichermaßen in den besten seiner Kompositionen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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