Kultur: Klare Kraftbrühe
Orgelsommer mit Kilian Nauhaus in Friedenskirche
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Orgelsommer mit Kilian Nauhaus in Friedenskirche „Heimlich und in aller Frühe“ habe der französische Orgelvirtuose und Cembalist Louis Marchand das elbflorentinische Dresden „mit Extrapost“ verlassen, um einem Wettstreit mit Johann Sebastian Bach auf der Orgel zu entgehen. Tags zuvor ist bei einem Hofkonzert das Duell auf Flügeln unentschieden ausgegangen. Nun, zu einem direkten Zweikampf wie anno 1717 geplant, kommt es auch am Mittwoch in der Potsdamer Friedenskirche nicht. Zwar treffen beide Kontrahenten aufeinander, aber nur durch ihre Kompositionen. Der Internationale Orgelsommer und sein Gast Kilian Nauhaus machen es möglich. Für seine Vortragsfolge hat sich der bekannte Kirchenmusiker an der Französischen Friedrichstadtkirche zu Berlin eine überzeugende Programmkonzeption ausgedacht. Sie verschreibt sich dem Thema des Abendmahls. Im Zentrum dieser Messe ohne Predigt steht Bach mit der Choralbearbeitung des Liedes „Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654, symmetrisch gerahmt von diesbezüglichen Werken von Olivier Messiaen, die wiederum von frankophonen Werken umschlossen sind. Am Anfang steht Louis Marchand (1669-1733), einstiges Wunderkind und Orgelvirtuose von europäischem Rang und Ruhm, mit seinem „Grand Dialogue“. Die mittlerweile registerkomplette Woehl-Orgel (sie wird im September generalgestimmt) zeigt sich nicht nur hierbei ganz von ihrer klangprächtigsten Seite. Festlich, strahlend und trompetenglänzend hebt im organo pleno das Große Zwiegespräch an. Echowirkungen sind darin genauso eingeschlossen wie reizvolle Wechsel von Labial- und Zungenstimmen, die Kilian Nauhaus aus dramaturgischen Erwägungen jeweils bevorzugt – oder nicht. Durch sein virtuoses Spiel entlockt er dem Stück nachgerade theatralische Wirkungen. Marchand wusste schon, wie man den Erwartungen des Publikums entsprechen kann. Diesem Bravourauftakt folgt das Vibratoreich zu Gehör gebrachte Messiaensche „Gebet vor dem Abendmahl“. Frappierend immer wieder, wie aus der ätherisch-schwebenden und akkordgeschichteten Diskantstimme sich die imaginären Gebetsfloskeln konturenklar, ja fast spröde absetzen. Nicht weniger kontrastreich hört sich das celestaartig klingende und von besänftigenden Klängen erfüllte „Gebet nach dem Abendmahl“ an, das der Bachschen Choralbearbeitung folgt. Diese ertönt als ein klangsattes und weich getöntes, gleichsam ölfarbenes und von Firnis überzogenes Seelengemälde. Tremulant und „Vox humana“-Register sorgen zudem dafür, das der Erbauung keine Grenzen gesetzt sind. Schier grenzenlos scheinen auch die Möglichkeiten der Klang-Königin zu sein, als es der Orgelsinfonie f-Moll op. 42 Nr. 5 von Charles-Marie Widor (1844-1937) gilt. Nicht verschwommen, sondern ganz schlank und klar breitet sie sich unter den stilkundigen, von Virtuosität und Gedankentiefe geleiteten Händen und Füßen als reizvollstes Farbenspiel aus. Tänzerisch beschwingt zeigt sich das prägnante Thema im einleitenden Allegro vivace, dessen motorischer Entwicklung mitunter fast etwas Triviales anhaftet. Liedhaft, trillerreich und romanzenlieblich tönt das Allegro cantabile, dem Kilian Nauhaus immer wieder den Rückzug ins Leise gestattet. Wagnerüppig klingt das Andantino, zart und innig das Adagio. Hellgetönt, strahlend und zupackend gespielt rauscht finaliter die berühmte Toccata prächtig auf. Der Beifall gerät mächtig. Peter Buske
Peter Buske
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