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Kultur: Klassiker mit Toastbrot

Unidram I: „Maria Stuart“ aus Stuttgart

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Unidram I: „Maria Stuart“ aus Stuttgart „Gott save the Queen!“ Britannias Leitspruch schützt den Inselthron seit eh. Auch bei der tödlichen Begegnung zweier Erzrivalinnen, welche Schiller in seinem Trauerspiel „Maria Stuart“ schildert, bedurfte die Krone solchen Beistands, denn die „jungfräuliche Königin“ Elisabeth ließ ihre katholische Konkurrentin Maria 1587 mit Willkür hinrichten. Unter Renaissanceklängen und Theaterdampf entstieg sie nun ihres Grabes, um im T-Werk wenigstens ein Wort der Reue von der Meuchlerin zu haschen. Diese aber fläzte ziemlich ordinär auf ihrem Sitz, die „Financial Times“ studierend, dann eine Parlamentssitzung leitend, deren Hauptperson sie selber war. „Gott save the Queen“, diktierte sie zum Abschluss wie ein Amen, „Gott rasiere die Königin“, dolmetschte Maria dem längst entzündeten Publikum im vollen Hause. Schnodderig, schrill, respektlos gegen überlieferte Geschichte und Bühnengesetz, so prallte die Textcollage „Maria Stuart. Ein tödliches Casting“ bei Unidram auf Schillers Jubeljahr. Das Stuttgarter TART-Theater produzierte sie, doch traute man dem Klassiker offenbar nur so weit, wie er durch Zitate von Jelinek, Ionesco oder Margret Thatcher (angeblich auch von Bin Laden) zu „ergänzen“ war. Christina Rasts moderne Inszenierung arbeitet voller Lakonie mit Breaks, szenischen Endlos-Wiederholungen, weiten Gängen und ausgestellten Gesten. Sie überliefert den geschichtlichen Stoff durch Parodien, Absurditäten und starken Persiflagen über achtzig Minuten der Lächerlichkeit. Der angeblich „blutige Machtkampf zweier Rivalinnen“ spielt in historischer Kostümierung zur Echtzeit der anglikanischen Elisabeth. Es geht darum, wer „in die Geschichte“ eingeht, doch ist alles vorab schon klar: „Am Ende der Vorstellung werden Sie tot sein“, prophezeit Elisabeth der Auferstandenen. So kam es auch. Zwei Fernseher auf der Off-Bühne zeigen den Londoner Löwen, später immer wieder sportliches Paarspringen vom hohen Turme aus. Sigrun Kilger und Johanna Niedermüller spielen mit Wonne, professionellem Einsatz, Sonnenbrille und Besenfrisur, worum es TART geht: Um nichts, bestenfalls um gute Unterhaltung – jedes Publikum belohnt das. Maria mag keinen Tee, begehrt dafür aber Bockwurst, Elisabeth kümmert sich nicht um Staatsgeschäfte, sondern lechzt in einer an Chaplins Hitler-Parodie erinnernden Szene um Nachruhm: „Ich will die Hostie sein!“ Die eine trägt Kalaschnikow, die andere frisst maßlos Toast in sich hinein, wirft die Reste ins Publikum. Golfregeln statt Politik, Weiberzwist statt tiefer Charaktere, Farce anstelle von Substanz, beliebige Theatermittel – wer seinen Schiller zur Vorstellung mitnahm, hatte tüchtig zu leiden. Schon bei Brecht verkam ja der Königinnen-Streit wegen Unglaubens zum trivialen Gezänk von Fischweibern. Reine Geschmackssache: Maria addierte sich als „Erfinderin der Opferfürsorge“ zur langen Liste weltbekannter Märtyrer hinzu, Elisabeth spreizte auf dem Thron kopfüber Arme und Beine von sich, den Rock weit hochgeschoben. Am Ende entsteigt die Katholikin ihrem Kostüm, um eine Original-Sentenz im Slip zu deklamieren: „Lasst uns still sein, lasst uns nichts mehr empfinden!“ Das war im alles verkehrenden Modeln der Moderne nun etwas spät gesprochen. Aber ein Klassiker hält auch das aus. Stärkster Beifall, klar. G. Paul

G. Paul

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