Kultur: Klavierabend: Cantare statt celebrare Gianluca Luisi
bei Potsdamer Bachtagen
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bei Potsdamer Bachtagen Bevor es die Rückbesinnung auf den barocken Originalklang gab, war es gang und gäbe, die für Tasteninstrumente bestimmten Werke auf klanggewaltigen Konzertflügeln á la Bachstein, Blüthner, Bösendorfer, Schimmel oder Steinway zu spielen. Inwieweit solche Verfahrensweise den Intentionen der Autoren entsprach, stand auf einem anderen Blatt. Kommt es in heutiger Zeit einem Sakrileg gleich, Bach nicht auf Cembalo oder Hammerklavier aufzuführen? Für seinen Bachtage-Auftritt im Potsdamer IHK-Forum erwählt sich der italienische Pianist Gianluca Luisi einen Flügel der Firma Kimball, um auf ihm Werke von Johann Sebastian Bach originaliter oder in Bearbeitungen von Liszt und Busoni erklingen zu lassen. Kaum sind die ersten Töne der Französischen Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816 im nüchtern-sachlichen Saalambiente aufgeklungen, wird auch ungeübten Ohren hörbar, dass hier mit weichem und leichtem Anschlag der Kosmos des polyphonen Tonsatzes durchschritten wird. Und zwar ziemlich zügig, was wohl für heitere Leichtigkeit sorgen soll. Das rechte Pedal ist in unaufhörlicher Aktion, sodass sich ein Nach- und Ineinanderklingen der Töne ergibt. Bach durch die Brille der Romantik gesehen, das hatten wir lange nicht mehr zu hören bekommen. So besticht beispielsweise die Sarabande nicht nur durch ihre edle Einfachheit, sondern weitet sich durch Luisis geradezu singende und verspielte Tastenarbeit fast zu einem sommernachtsträumerischen Notturno. Vieles an seinem Vortrag klingt biedermeierheimelig, erinnert an den frühen Mendelssohn Bartholdy, an Czerny, Beethoven Auffallend, wie der Pianist das mathematische Element von Bachs Satzkunst gleichsam auf dem Altar der Sinnenlust opfert. Cantare statt celebrare. Hat man sich auf diese Sichtweise erst einmal eingelassen, werden einem ungewöhnliche Eindrücke zuteil. Die Manier, Schlussakkorde von Sätzen in einem Meer des Nachhalls ertrinken zu lassen, gehört nicht dazu. Vollmundig führen sich Präludium und Fuge c-Moll BWV 871 (aus dem „Wohltemperierten Klavier“/Teil II) als lyrische und terzenselige Gebilde vor. Im gleichmäßigen Metrum laufen rechte und linke Hand wie von selbst. In den Partiten Nr. 1 B-Dur BWV 825 (balancierend zwischen Anmut und Gravität) und Nr. 6 e-Moll BWV 830 (erfüllt von pathetischem Ernst) koloriert er nach fast immer gleichem Muster, was auf Dauer wenig originell wirkt. Einzelne Tanzsätze könnten glatt als Mendelssohnsche „Lieder ohne Worte“ gelten. Wo immer es geht, ist klangliche Härte vermieden. Auch hier verwandelt sich unter Luisis beweglichen Fingern Langsames in romantisch-schmachtenden Seelenausdruck ähnlich einer Schumannschen „Träumerei“. Im vollgriffigen Klaviersatz kommen die Bearbeitungen daher, die neuen Stücken gleichen. Franz Liszts Transkription von Präludium und Fuge C-Dur setzt auf die orgelmäßige Klangwirkung eines modernen Konzertflügels. Ferruccio Busonis Übertragungen der Kantaten-Choräle „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ und „Nun freut euch, lieben Christen gmein“ zeigen sich rubatoreich, wobei in letzterem Stück die rechte Hand wie im Schweinsgalopp über die Tasten eilt. Ein virtuoser Kehraus, dem viel Beifall und eine Zugabe folgen.Peter Buske
Peter Buske
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