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Kultur: Klavierbegleiter war der Gestalter Torsten Glas sang „Die Winterreise“ in Französischer Kirche

Dass sich ein Klavierprofi und ein Gesangsamateur Schuberts Lieder annehmen, ist so ungewöhnlich nicht. Zu des Komponisten Zeiten hatte ein Herr Tietze, tenorbegabter Beamter, mit Schuberts Tastenunterstützung dessen Liedvertonungen vorgetragen.

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Dass sich ein Klavierprofi und ein Gesangsamateur Schuberts Lieder annehmen, ist so ungewöhnlich nicht. Zu des Komponisten Zeiten hatte ein Herr Tietze, tenorbegabter Beamter, mit Schuberts Tastenunterstützung dessen Liedvertonungen vorgetragen.

In solche Fußstapfen trat nun Torsten Glas, ein singender, stimmtechnisch achtbar ausgebildeter Zahnarzt aus Leipzig. Die „Winterreise“ war’s, die er in der Französischen Kirche vortrug. Entgeltlich. Im Zeitalter von CDs und Videos ein gewagtes, beinahe ein tollkühnes Unterfangen. Die Reise durch seelische Abgründe, für die der Winter nur eine Metapher ist. Geradezu unbeschwert, in natürlicher Diktion und ohne überinterpretatorischen Ambitionen beginnt Torsten Glas, ein hoher Bariton, die Wanderung. Leicht springt die Stimme an, die ihre Unzulänglichkeiten nicht kaschieren will, denn Glas steht zu seinen gestalterischen Möglichkeiten. Er hat sich für ein ausgewogenes Wort-Ton-Verhältnis entschieden. Da wird nichts mit Bedeutung aufgeladen. Was zur Folge hat, dass sich Zerrissenheit, Unrast, Todessehnsucht in all ihren Facetten leider nivelliert. Vieles hört sich flach an. Gestalterische Tiefgründigkeit ist seine Sache nicht, Anteilnahme am Schicksal seines Wanderburschen schon. Fast unmerklich gleitet die vorgetragene naive Gemütslage ins Nachdenkliche und Ahnungsvolle („Der greise Kopf“), wobei er über viele Feinheiten hinweg singt. Zwischentöne bleiben rar. Erschütterungen stellen sich nicht ein.

Das vom Sänger nicht Vorgetragene findet sich dagegen in der Begleitung durch Klavierprofi Hermann Wolf. Er tastatiert Leidenschaften, unterstützt Inniges, modelliert Resignation, meißelt Dramatik, vermag den verzweifelten Wanderer zu trösten, versenkt sich schließlich in die finalen Todesahnungen. Wolf ist der Gestalter dieser „schauerlichen Lieder“, wie sie Schubert einst nannte. An ihnen haben sich viele Sänger versucht – nur die wenigsten konnten sie in Gänze erfassen.Peter Buske

Peter Buske

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