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Kultur: „Kleine Umkehr“ mit Heringssalat

Treffen deutscher Theater-Intendanten in Potsdam

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Treffen deutscher Theater-Intendanten in Potsdam Früher war das Theater eine kulturpolitische Institution, eine „moralische Anstalt“ gar, von öffentlicher Hand gestützt. Jetzt, in direkter Konkurrenz zu privat gelenkten Unternehmen von Fernsehen und allgemeinem Kultur-Marketing, bekommt es einen neuen Status: Die deutsche Bühne sei fortan als ein „Unternehmen“, ihre Besucher als „Kunden“ zu betrachten, wie das in Teilen der Kirche oder des Gesundheitswesens längst üblich ist. Auf derartige Termini einigte sich eine zweitägige „Intendanten-Tagung“, die am Wochenende zu Ehren des neuen Intendanten des Hans Otto Theaters, Uwe Eric Laufenberg im Potsdamer „Steigenberger“ zusammenkam. Etwa 60 Theaterleiter aus ganz Deutschland, darunter zwei Frauen, berieten in verschiedenen Gremien, inwieweit das gegenwärtige Theater fit für die Zukunft (zu machen) sei, wie es sich im Ausland spiegele, welches Weltbild man vermittele und was getan werden könne, den Forderungen des Publikums, vor allem aber dem Konkurrenzdruck der „Privaten“ Rechenschaft zu tragen. Vier Journalisten der fernen und ganz nahen Medien saßen am Samstag diskussionsbereit gegenüber: Uwe Eric Laufenberg, Potsdam, Günther Beelitz, Heidelberg und Holk Freytag vom Staatsschauspiel Dresden. Die Veranstalter hätten Potsdam als Tagungsort gewählt, weil man mit dem Theaterneubau und der Intendanz von Laufenberg ein „Zeichen der Hoffnung“ und ein „Ende der Querelen“ verbände, ein „tolles“ Signal, welches über ganz Deutschland strahlen könnte. So meinte man eingangs. Deutlich wollte man die „Vermarktung“ eines Produkts von demselben unterschieden wissen: Marketing-Veränderungen beträfen den allgemeinen Theaterbetrieb, nicht aber die Kunst. Es ginge zum Beispiel darum, gewisse Betriebsstrukturen „out zu sourcen“, vor allem aber, den „Kunden“, wie immer nur möglich, zu streicheln. Eine regelmäßige Schulung des Personals, etwa der Kassen- und Garderobenkräfte, wurde deshalb empfohlen. Weil die heftigste Konkurrenz der Bühne heute „das Essen“ sei, müsse mehr geboten werden; es soll sogar Theatergänger geben, welche die Hallen Thalias nur ob eines guten Heringssalates in der Kantine besuchten. Wer“s glaubt, gehört nicht zu den Gestrigen. Wo solche betriebswirtschaftlichen Umstrukturierungen bereits greifen, gäben sie, „an Arbeitgebermodellen der Wirtschaft gemessen“, ein „geradezu vorbildliches Vertragswerk ab. Das belege eine Hamburger Studie. Damit sind Richtung und Messlatte dieser „notwendigen Kulturaufgabe“ klar. Ohne sich von der öffentlichen Hand lösen zu wollen („es gibt keine Subventionen, nur Zuwendungen!“), will man die privatwirtschaftliche Führung der „Theater-Unternehmens“ eher fördern und verstärken. Den Noch-Zustand versteht die versammelte Intendanz als „Fessel“. Entgegenstellen werde man sich dem Drang zum Gelde jedenfalls nicht. Genauso wenig befürchtet man, dass die liebe, „chaotische Kunst“, „das Produkt“, dabei auf der Strecke bleibt. Laufenberg nannte das alles „eine kleine Umkehr“. Er könne nicht sehen, warum man den Theatergast nicht „Kunde“ nennen sollte: „Ist doch wirklich egal“. Ästhetische, inhaltliche und handwerkliche Fragen spielten bei dieser kulturpolitischen Spagat-Tagung keine Rolle, es ging nur um“s Geschäftliche. Auch darum, sich gegen eine vom Bundestag initiierte Befragungs-Aktion zu wehren, von der man Gutes nicht wittert, angeschriebene Intendanten sollten das Blatt nicht unkommentiert beantworten, so die Empfehlung. Das „Weimarer Modell“ wurde abgelehnt, es beinhalte „im Klartext 17 Prozent Lohnminderung“. Außerdem wurde beschlossen, im Einvernehmen mit dem Deutschen Bühnenverein ab 2005 einen neuen Theaterpreis zu stiften, sozusagen einen „deutschen Oscar“ – als Krone des neuen, „verschlankten“ und durchkommerzialisierten Theater-Betriebes.

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