Kultur: Kleiner Mann, ganz laut
Stereophonics mit neuem Album in Fritz-Studios
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Stereophonics mit neuem Album in Fritz-Studios Autsch. Die Stereophonics lassen es wieder scheppern. Die Band ist im letzten Jahr scheinbar in einen Jungbrunnen gefallen und hat vom Grunde gleich den neuen Drummer Javier Weyler mit heraufgebracht. „Macht einen ganz sympathischen Eindruck, der Neue“, befindet eine junge Dame, die direkt neben der Box stehend einen Blick auf den neuen Band-Beau erhaschen kann. Und wirklich kann Weyler seinem Frontmann Kelly Jones ernsthafte Konkurrenz im band-internen Model-Contest machen. Er macht aber halt nicht nur Eindruck, sondern zündet mit argentinischer Glut in den Adern ein erfrischendes Feuerwerk hinter seinem Drumset. Es ist, als ob die Band Punkopa Iggy Pop zum Kaffee zu Besuch hatte und der ihnen klar gemacht hat: „Reifer klingen, OK, aber mit Rock“n“Roll-Würde – wenn ich bitten darf!“ So krachen die Riffs ungehalten wie nie durch die Röhrenverstärker. Songs wie „Mr. Writer“ oder „Maybe Tomorrow“ sucht man vergeblich im Set der Waliser. Schmusebacken-Musik adé, die neuen Stereophonics lassen die Akustikgitarre zu Hause. Die dicht gedrängten Fritz-Hörer, die sich im Programm eine Karte ergattern konnten, werden dann folgerichtig auch zum Großteil mit Songs von der neuen CD „Language.Violence. Sex. Other?“ beschallt. Oder eher bedröhnt, denn die Musik ist wirklich extrem laut. Vielen Fans nützt das herzlich wenig, denn der Sänger wird durch die Lautstärke nun auch nicht größer und so werden Hocker und Stühle bestiegen, um die Musiker bei ihrem Wirken zu beobachten. Man sollte vielleicht eine Mindestgröße für Künstler einführen – nach Green Day“s Billy Joe Armstrong und Ash“s Tim Wheeler war Jones nun der dritte Rockzwerg, der in den Fritzstudios für die meisten unsichtbar blieb. Nach wenigen Songs entledigt sich Kelly Jones seiner Lederjacke und der 70er-Jahre-Brille und schmettert die Soli dem Publikum noch unbeschwerter entgegen. Mit der „Verhärtung“ der Musik ist aber leider auch die Komplexität der letzten Alben verloren gegangen. So kracht es zwar hinten wie vorne, aber der Mitte fehlt die gewisse Kreativ-Würze. Bassist Richard Jones vertreibt sich auch weiterhin die Zeit in den Songs mit belanglosen Grundton-Gezupfe. Aber er hat seine Rolle in der Band ja auch nie überschätzt: „Meine Rolle? Genau wie jeder andere Bassist – sich zurückhalten und cool aussehen“, sagte er kürzlich in einem Interview. Zum Ende des Konzertes kam Iggy dann doch nochmal, nach dem Rechten zu sehen: Zumindestens vertreten durch einen Song seiner Stooges: „I wanna be your dog“ singt Jones mit seiner Kratz-Röhre als Zugabe. Der argentinische Wirbelwind Weyler darf seine Schießbude noch einmal nach allen Regeln der Schlag-Kunst bearbeiten. Dann werden im Publikum Oropax und Taschentücher aus den Ohren gefummelt, um mit Piepen im Gehörgang festzustellen, dass dieser Lautstärke selbst Lärmschutzwände vor der Bühne keinen Einhalt geboten hätten. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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