Kultur: Kleinkunsterpresser
Bei der Obelisk-Kabarettwoche: der „Eulenspiegel“
Stand:
Nicht jede Satirezeitschrift kann von sich behaupten, einen veritablen Kaufhauserpresser in seinen Redaktionsräumen sitzen zu haben. Der „Eulenspiegel“ aber kann. Zwar möchte Arno Funke nicht mehr „Dagobert“ genannt werden, scheut sich aber nicht, seinen zweifelhaften Ruhm wie eine Satirewertmarke vor sich her zu tragen, um mit seinen Kollegen auf die Bühne zu treten und mit immer wieder aufkeimendem, unsicherem Lachen – vor allen nach seinen zahlreichen Versprechern – vermeintlichen Frohsinn zu verbreiten.
So geschehen am Montagabend zum Auftakt der Woche der Kleinkunst im Kabarett Obelisk, ein Abend, der als „Lange Nacht der Kleinkunst“ deklariert war. Inzwischen, so scheint es, benötigt jedes Ereignis in Potsdam lange Nächte, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden, allmählich aber sehnt sich das Publikum wieder nach erholsamem Schlaf. Und ging dann auch nach der ersten Veranstaltung prompt nach Hause. Nur wenige beehrten das anschließende Klezmer-Konzert im al globe, aber das mag auch einfach an den unterschiedlichen Geschmäckern der Zuschauer liegen.
Das Zielpublikum für die Eulenspiegel-Veranstaltung wurde von Moderator und Chefredakteur des Eulenspiegel, Hartmut Berlin, gleich mal eruiert: er fand durch Handzeichen heraus, dass die meisten über 50, aus dem Osten und auf keinen Fall verarmt waren. Denn als Hartz-IV-Empfänger gab sich niemand zu erkennen und Berlin folgerte: „Kein Wunder, bei diesen Eintrittspreisen“. Dann traten die vier Autoren auf, setzten sich an die mit gelben Decken erhellten Tische und lasen einer nach dem anderen aus ihren Werken.
Reinhard Ulbrich ritt mit seinem Text zum deutschen Einheitstag auf den bekannten Ost-West-Klischees herum. Sentimental geriet das Lächeln darüber, dass „Mutti probierte, aus einem ordentlichen Kürbis ein herrliches Ananaskompott“ zu produzieren, und nur wenig überraschend war der Wessi, der im ostdeutschen Raum einfach deshalb nicht mehr auffalle, weil man sich früher ja auch mal an die Russen gewöhnt habe. Der Versuch, die Überlegenheit des Ostlers auf die Sexualität zu kaprizieren, schlug ebenso fehl wie viele andere Pointen auch. Weiter ging''s mit Matthias Wedel, der durch Brandenburg fuhr und dort „schwarze Radios auf vier Rädern“ an sich vorbeirauschen sah, und man war richtig froh, als die Truppe vom Obelisk dann singend Schwung in den Abend brachte.
Gretel Schulze war in ihrem Element und brachte das Publikum immer wieder zum Lachen mit Reimen wie „Du bist das Dosenpfand / kein schöner Land“, geschwungenen Hüften und einer kraftvollen Stimme.
Aber auch Ernst Röhl war mit seinen intelligenten und wirklich witzigen Texten ein Lichtblick, und die Dramaturgie hatte es auch so gedeichselt, dass er vor der Pause und am Ende des Leseabends an der Reihe war und man mit dem Gefühl den Saal verließ, dass der Eintrittspreis doch nicht ganz falsch angelegt war. Am Stehpult, das mit einer DDR-Fahne, in der Hammer und Sichel durch die halb geschälte Banane ersetzt waren, las der Satiriker Texte, die den Namen Satire auch wirklich verdienten. „Mehr als Mecklenburger kann der Mensch nicht werden“, sagte er selbst-ironisch und fragte weiter, warum nur fünf Bier, wenn auch zehn reingehen? Um den Ostler nach 16 Jahren Vereinigung zu charakterisieren als denjenigen, der „mit Hakle feucht und Henkell trocken“ sei. Ohne Seitenhiebe auf den Westler ging es auch hier nicht, denn der redet viel, wenn er nichts weiß, der Ostler dagegen hält den Mund. Und wird, wenn er in den Westen geht, Korkenzieher oder Geigerzähler. Röhl triumphierte im Rückblick: „Ich habe es gleich gesagt: Westler, wir kommen. Aber nicht als Freunde, sondern als Verwandte“.
Nächste Veranstaltung: heute, 19.30 Uhr: Reiner Krönert
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: