Kultur: Kleist und Kundus
Audiowalk macht sich auf Spurensuche in Potsdam
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Es hat etwas Verstörendes. Man steht neben der Stadtschlossbaustelle und lauscht Heinrich von Kleist, wie er von einer Nachtwache während seiner Militärzeit von 1792 bis 1799 am Potsdamer Stadtschloss berichtet. Plötzlich spricht ein anderer, auch Soldat, aber aus unserer Zeit. Und er erzählt nicht von einer langweiligen Nachtwache bei kühlen Temperaturen in der Garnisonstadt Potsdam. Dieser Soldat erzählt vom Krieg in Afghanistan.
„Kleist in Kundus“ nennt sich der gut einstündige Audiowalk durch Potsdam, der am gestrigen Montag in der Schule des Zweiten Bildungswegs „Heinrich von Kleist“ in der Friedrich-Ebert-Straße vorgestellt wurde. Andreas Kebelmann und Robert Schmidt von der Agentur Kriwomasow haben versucht, Kleists sieben Jahre beim Militär in Potsdam, von ihm selbst als „unwiederbringlich verlorene Zeit“ bezeichnet, anhand ihres „doku-fiktionalen Audiowalks“ an acht Stationen in der Potsdamer Innenstadt nachvollziehbar zu machen. Stationen, die für Kleists Aufenthalt in Potsdam von Bedeutung waren. Noch bis zum 21. November, dem Tag des gemeinsamen Selbstmords von Kleist und Henriette Vogel 1811 am Kleinen Wannsee, kann man sich den Audiowalk bei der Tourist Information am Brandenburger Tor, wo auch „Kleist in Kundus“ startet, ausleihen.
Kebelmann und Schmidt wollen den Zuhörer mit auf eine Zeitreise nehmen. „Es ist, als sei man mittendrin in Kleists Kopf, diesem grandiosen Spinner“, sagte Schmidt. Mittels einer Collage aus Stimmen, Geräuschen, Musik, Texten und Höspielszenen durchwandert man das Potsdam, wie es auf Kleist gewirkt haben könnte. Dazwischen immer wieder Interviews mit Soldaten von heute, weil Potsdam, so Kebelmann und Schmidt, wie zu Zeiten Kleists immer noch ein „militärisches Strategie- und Machtzentrum“ sei, weil in Geltow sich die deutsche Kommandozentrale für internationale Militäreinsätze befindet. Militär im 18. Jahrhundert und Militär im 21. Jahrhundert, „Kleist in Kundus“ soll jedoch nicht als grundsätzlicher Kommentar zum Militär verstanden werden. Dieser Audiowalk ist eine ungewöhnliche Annäherung an Kleists Potsdamer Zeit. Das darf ruhig auch ein wenig verstören. D.B.
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