Kultur: Klezjazz im al globe
Paul Brody“s „Sadawi“ begeisterte
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Paul Brody“s „Sadawi“ begeisterte Die knarrenden Holzdielen haben gegen den kräftigen Bulgar-Rhythmus keine Chance. Schlagzeug, Bass, E-Gitarre, Trompete und Klarinette überrollen auch das Publikum, welches anfangs etwas verschreckt reagiert. „Es macht mich nicht nervös, dass es hier so ruhig ist“, flüstert Paul Brody warnend. Wer sich auf Sadawi einlässt, darf nicht nur schöne Melodien und harmonische Interaktionen, sondern auch Freejazz und ein paar Dezibel mehr erwarten. Aus Berlin, Boston und New York kamen die Musiker nach Potsdam, um ihr Projekt „Sadawi“ vorzustellen. Ein erstes Produkt war bereits die CD „Kabbalah Dream“ - zum Teil mit Live-Aufnahmen aus dem „al globe“, eine zweite wird 2004 erscheinen. Die zur „Radical Jewish Culture“ zählende Band – sofern ihre Musik überhaupt kategorisierbar ist – lebt nicht von Arrangements „traditioneller“ Klezmermusik. Paul Brody lässt sich von anderen Avantgarde-Klezmern wie Frank London oder David Krakauer zu neuen Kompositionen inspirieren, in die jedes Bandmitglied seine musikalische Handschrift einbringt: Etwa dann, wenn die dunkle, unheimliche Atmosphäre in „Golem Variations“ (basierend auf Frank Londons „Golem Khusidl“) durch Brandon Seabrooks (Banjo/Gitarre) elektronisch erzeugte Klänge eingeleitet wird. In lebendiger Kommunikation tobte sich bald die improvisatorische Fantasie aller Musiker so richtig aus, und zwar unter Hinzuziehung der gesamten Umgebung: Nicht nur Trompete & Co. wurden auf alle möglichen Arten behandelt. Sogar Notenblätter, die an sich nur dezente Behandlungen kennen, waren gefordert, ihren Teil durch spontanes Zerknülltwerden beizutragen. Die durchweg langen Stücke mit effektvollen Pausen und überraschenden Wendungen boten zudem eine gehörige Portion Humor. War das Publikum während des von Krakauer inspirierten fiktiven Dialoges zwischen Naftule Brandwein (Jan Hermerschidt, Klarinette) und Sidney Bechet (Paul Brody, Trompete) eher noch stillvergnügt, wurde es jetzt richtiggehend mitgerissen. Nach einem ebenso vergnüglichen Klarinettenfeature „Masks and Faces“ (nach Ben Goldberg vom New Klezmer Trio), in dem das Banjo übermütig auf die Trompete eingehend, die Klarinette gar nicht gleich zum Zuge kommen ließ, improvisierte der Stimmkünstler Alex Nowitz als Gast in einer unglaublichen Variationsbreite in „Fragments of Friend of Kafka“, enstanden aus „Friend of Kafka“ von Naftule“s Dream, denen Brandon Seabrook und Eric Rosenthal (Schlagwerk) angehören. Besonders das originelle Zwiegespräch zwischen Paul Brody und ihm begeisterte das Publikum derart, dass es die Musiker einfach nicht mehr gehen lassen wollte. Erst ein kopfüber in die Trompete gefallener Weihnachtsmann machte nach einem Feature für den Bassisten Martin Lillich weitere Zugaben unmöglich! Die erschöpften Musiker hatten schließlich schon den vierten Abend in Folge – davon drei in Berlin – ihr Programm geboten, und jedes Mal in anderer Variation. Einziger „Wermutstropfen“ in Potsdam, dass man nur wenig zum Hintergrund der einzelnen Stücke erfuhr. Nichtsdestotrotz durfte ein gut besuchtes al globe einen energetischen Sadawi („Tanz des Glücks“) erleben. Und es bleibt die Vorfreude auf die neuen, diesmal noch nicht vorgestellten Stücke der mit Spannung erwarteten CD!Janina Wurbs
Janina Wurbs
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