Kultur: Koloniale Verhältnisse
Im al globe ist eine Ausstellung über Landlose im Nordosten Brasiliens zu sehen
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Ein kleiner Junge lacht unbeschwert und kaum bekleidet in die Kamera. Seine Freude lässt die Schwere des täglichen Lebens der landlosen Kleinbauern in Brasilien fast vergessen. Die Fotos der Ausstellung „Landlos im Nordosten Brasiliens" von Henriette Neef und Jesko Eisgruber im al globe entstanden 2004 im Rahmen des Projektes „LandbesetzerInnen und Bleiberechte in Pernambuco/ Brasilien“ vom gemeinnützigen Hilfsnetzwerk ASA.
Die Foto-Schau zeigt zum einen Gesichter der Landlosen in Porträtaufnahmen, zum anderen den Lebensalltag der Menschen in der ländlichen Region. Die Aufnahmen erzählen von der „zona da mata" Pernambucos, einer Küstenzone im Nordosten Brasiliens, die ursprünglich vom Atlantischen Regenwald bedeckt war. Heute ist sie geprägt von der Monokultur des Zuckerrohres. Viele Kleinbauern werden als billige Arbeitskräfte unter inhumanen Bedingungen und nur für die kurze Zeit der Anpflanzung des Zuckerrohrs und der Ernte eingesetzt. Sie sind als Tagelöhner ohne Arbeitsvertrag, ohne Sozialversicherung und ohne Arbeitsschutzbekleidung beschäftigt. Ihr Lohn richtet sich nach dem Gewicht des geschlagenen Zuckerrohrs. Auf den Fotos sind die Kleinbauern mit der Machete bei der schweren Arbeit der Zuckerrohrernte zu sehen.
Sowohl die Besitz- als auch die Arbeitsverhältnisse dieser Region spiegeln noch immer die Strukturen aus der Kolonialzeit wider, doch die landlosen Kleinbauern wehren sich. Durch Besetzungen von Nutzflächen wollen sie die Enteignung und Umverteilung von Land durchsetzen. Das zeugt von ihrem Mut.
Die Landbesetzungen können ganz unterschiedlich aussehen. Es gibt sowohl Lager von Zelten mit schwarzer Plastikplane, dicht an dicht, wie sie die Fotos wiedergeben, als auch besetzte, vormals verlassene Häuser oder Fabriken. Erfolge hat diese Landlosenbewegung bereits. Agrarreformsiedlungen sind legalisierte Besetzungen von Ländereien, deren Besitzer schon enteignet worden sind. Zu Landenteignungen kommt es entsprechend der brasilianischen Verfassung von 1988 dann, wenn das Land keine Sozialfunktion mehr hatte.
Dieses Kriterium erfüllt brachliegendes Land, das die Landlosen besetzen. In den Reformsiedlungen organisieren sie die Bestellung des Bodens selbst und entscheiden auch darüber, ob kollektiv bewirtschaftet wird. Erst nach dem Erhalt von Land, der Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit, ist es möglich, staatliche Kredite zu beantragen, eigene Häuser zu bauen und Saatgut sowie Arbeitsgeräte zu kaufen. Die staatlichen Gelder kommen jedoch oft zu spät, die Böden sind von der jahrhundertelangen Monokultur ausgelaugt und oft fehlt es an Wissen zur Bodenbestellung und Vermarktung der Erzeugnisse. Neben diesen Problemen gibt es aber auch Hilfe, so von Nichtregierungsorganisationen, wie der Kommission der Landpastorale (CPT), einer katholischen Organisation.
Neef und Eisgruber wollen ein möglichst differenziertes Bild der Landlosenbewegung im Nordosten Brasiliens zeichnen. „Unsere Bilder sollen Geschichten erzählen und dem Besucher einen Einblick in das Leben der Landlosen vermitteln." Dies erreichen sie mit ihren Fotos. Annegret Dahm
Am 14.12. um 17.30 Uhr veranstaltet das FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk im al globe einen Workshop zum Thema „Das Menschenrecht auf Nahrung und die Agrarreform in Brasilien“. Kontakt: Sini Bodemer, Tel.030/39878204, fianistas@web.de.
Annegret Dahm
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