Kultur: Komm, flieg mit mir
Roger Cicero gratuliert Frank Sinatra mit einem Cover-Album zum 100. Geburtstag
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Vielleicht war die Sache dann doch eine Nummer zu groß. Zwei Tage vor der Veröffentlichung seines Frank-Sinatra-Albums musste Roger Cicero alle Termine bis Jahresende absagen – wegen eines „akuten Erschöpfungssyndroms mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung“. Intensiv hatte sich der Sänger auf diese Tribute-CD vorbereitet, mit der er nach zwei smarten Pop-Alben zurückkehren wollte auf vertrautes Terrain, zu Jazz und Swing, den Genres also, mit denen er musikalisch aufgewachsen ist.
Ein Ständchen zum heutigen 100. Geburtstag von old blue eyes sollte es werden, als Gratulation des 45-jährigen Cicero an den größten Crooner aller Zeiten. Ein halbes Jahr lang probte er mit seiner Band neue Arrangements von SinatraEvergreens, die er extra in Auftrag gegeben hatte, nach mehreren Testauftritten im Sommer, darunter beim Berliner Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt, wurden Anfang September dann zwei Konzerte in Hamburg für „Cicero sings Sinatra“ mitgeschnitten.
20 Titel bietet die Hommage und reizt mit 78 Minuten die technisch mögliche Spieldauer einer traditionellen CD voll aus. Keine Doppelgänger-Imitationen sind da zu hören, kein erinnerungsduseliges Als-ob-Best-Of, sondern Sinatra- Nummern im genuinen Cicero-Sounddesign. Was seine 13-köpfige Band spielt, klingt knackig und heutig: druckvolle Bläser, ein lässiges Piano, sehr präsent das Schlagzeug, alles sehr großstädtisch – und weit genug entfernt von der zigarettenrauch-geschwängerten Atmosphäre im Las Vegas der 60er-Jahre.
Zu diesem muskulösen Klang passt Roger Ciceros helle Stimme gut. Vokal ist er ja kein Bizepsprotzer, sondern eher der sehnige Typ mit technisch bestens definierten Stimmbändern, der wendig durch die Harmonien gleitet. Da ist dann durchaus auch ein moderner Musical-Touch dabei, manchmal erinnert diese Timbre gar an Til Schweiger.
Die schnellen Nummern liegen Roger Cicero am besten, weil er ein genuines Swing-Feeling hat. Wirklich lässig wirkt das, wenn er „Come Fly With Me“ interpretiert, „Let’s Face The Music“ oder auch „Mack The Knife“. Auf eine jungshafte Weise keck ist das – man meint förmlich Ciceros Markenzeichen mithören zu können, sein neckisches Hütchen. Aber er beherrscht auch den metropolitanen Balladenton, kann loungige Atmosphäre zaubern bei „I’ve Got A Crush On You“ oder „Summer Wind“. Wie schlank Ciceros Organ ist, wird im direkten Vergleich mit seinen Gästen deutlich: mit Xavier Naidoo singt er „New York, New York“ und behauptet sich neben dem Soulprofi selbstbewusst als Juniorpartner, mit dem prachstimmgen Sasha harmoniert er als kleiner Vokalbruder bei „Luck Be A Lady“ und „Fly Me To The Moon“. Den Song vom bösen Leroy Brown singen die drei sogar zu dritt – eine kleine Reverenz ans legendärerat pack, allerdings garantiert alkoholfrei.Frederik Hanssen
Das Album erscheint bei Sony. Auch live wird Sinatra in Berlin gefeiert: Am 12.12. spielt das Jazzradio Orchestra um 20 Uhr im Ellington Hotel eine Hommage an den Künstler, am 15.12. gastieren Andrej Hermlin und sein Swing Dance Orchestra mit „100 Prozent Sinatra“ im Wintergarten.
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