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Los! Trau dich! Mach ruhig einen Macho-Spruch! Katharina (Melanie Straub) wird schon die passende Antwort liefern. Mann kann dann nur noch den Kopf einziehen und hoffen, dass er dieses verbale Donnerwetter möglichst unbeschadet übersteht.

©  HL Böhme

Kultur: „Komm Kati, ab ins Bett!“

„Der Widerspenstigen Zähmung“ ab Freitag als Sommer-Open-Air mit Melanie Straub als Katharina

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Um klare Worte ist Katharina nicht verlegen. Und auch wenn Angriff nicht immer die beste Verteidigung sein muss: Wittert Katharina auch nur den Hauch einer Respektlosigkeit, jagt sie schon ihre widerhakensatten Wortschrapnelle in die Umlaufbahn. Da hilft nur noch Kopf einziehen und hoffen, dass Mann dieses Donnerwetter möglichst unbeschadet übersteht.

„Ich bitt’ dich Vater! Willst du mich wie schale Brühe diesen Männchen hier verschachern?“, sind die ersten Worte von Katharina, wenn sie in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ die Bühne betritt. Und es braucht danach nicht mehr viele solcher Worte, um auch dem Mildesten im Publikum klarzumachen, dass diese Katharina nicht nur Haare, sondern ein regelrechtes Fell auf den Zähnen hat.

„Der Widerspenstigen Zähmung“, Shakespeares Komödie in fünf Akten, ist ab kommenden Freitag als Sommer-Open-Air im Gasometer zu erleben, nach Molières Verwechslungskomödie „Die Schule der Ehemänner“ im vergangenen Jahr das zweite Spektakel dieser Art unter freiem Himmel. Und wie ein kurzer Einblick am Donnerstag in die Probenarbeiten schon andeutete, scheint Regisseur Andreas Rehschuh mit dem Klassiker von Shakespeare ein ähnliches Sahnestück zu gelingen wie im vergangenen Jahr seinem Kollegen Philippe Besson mit Molière. Wie schon in „Die Schule der Ehemänner“ geht es auch in „Der Widerspenstigen Zähmung“ um Verwechslungen, um die Irrungen und Wirrungen der Liebe und natürlich um Läuterung.

In Padua lebt der Kaufmann Baptista mit seinen beiden Töchtern. Und während sich die heiratswilligen Herren um die jüngere Bianca balgen wie Hinterhofkater und um die Gunst Baptistas buhlen, steht Katharina in einem selbstgewählten Abseits. Als Vater Baptista in der ersten Szene Katharina bittet, ihrer so braven und gehorsamen Schwester Bianca doch einfach zu folgen und die Herren der Schöpfung bei ihrem ach so wichtigen Gespräch allein zu lassen, fährt diese sofort alle Stacheln ihre Widerspenstigkeit aus und lässt verbal Gift und Galle regnen. „Das kann ich doch wohl selbst bestimmen, ob ich bleib’ und ob und wann ich gehen will! Wollt Ihr mir vorschreiben, was ich zu tun und lassen hab, als wär ich selbst zu blöd, das zu entscheiden?“, wettert Katharina gegen ihren Vater.

Melanie Straub, seit der Spielzeit 2009/10 Ensemblemitglied des Hans Otto Theaters, spielt diese Widerspenstige. Und wie sie sich da in der Probe nach vorne beugt und ihren schmalen Körper unter eine gefährlich-drohende Spannung bringt, schießen diese Worte wie schallende Ohrfeigen aus ihrem Mund. Melanie Straubs Katharina spricht mit nur mühsam gezügelter Wut, in der die Empörung kocht. Aber gleichzeitig schwingt da auch ein feiner Unterton mit. Der Unterton einer selbstbewussten Verletzten, einer Verzweifelten, Gedemüdigten, deren Trotz ihr mit den Jahren einen Panzer geschaffen hat, der sie aber nicht gelassener, sondern, im Gegenteil, noch viel dünnhäutiger gemacht hat. „Das kann ich doch wohl selbst bestimmen“ und „als wär ich selbst zu blöd, das zu entscheiden“, wie sie mit diesen Worten gegen ihren Vater anschreit, ist darin auch die so oft vergeblich vorgebrachte Bitte zu hören, doch endlich zu akzeptieren, dass sie anders ist. Und dass man sie doch bitte einfach nur so nehmen soll. Doch dieses „einfach nur“ ist einfach nur zu groß für diese Welt, diese Zeit, diese Männchen. Bis Petruchio, ein Edelmann aus Verona, gespielt von Dennis Herrmann, auftaucht.

„Es ist ein sehr modernes Frauenbild, das Shakespeare hier zeigt“, sagt Melanie Straub. Katharina, eine Frau, die unverdrossen, aber immer verbitterter darum kämpft, eine eigene Meinung zu haben, selbst Entscheidungen zu treffen. Doch weder ihr Vater noch ihre Schwester und erst recht nicht die edlen Herren von Padua begreifen, was dieses in ihren Augen so störrische Weib da umtreibt. Und wo das Verständnis fehlt, muss reine Boshaftigkeit als Erklärung dienen. Bis Petruchio auftaucht.

Dieser Petruchio ist ein Kerl, bei dessen Allüren und Selbstbewusstsein sich bei Katharina sämtliche Nackenhaare aufstellen müssten, als gelte es allein damit ein ganzes Heer in die Flucht zu schlagen. Doch sie sieht diesen Petruchio zum ersten Mal und erduldet fortan fast demütig all seine Albernheiten, Herausforderungen und scheinbaren Gemeinheiten, weil sie sich in ihn verliebt hat. Und die edlen Herren von Padua, die noch immer um die brave und so schöne Bianca buhlen und im Bestreben um deren Hand für so manche Verwechslung gesorgt haben, können aufatmen, denn die Teufelin Katharina hat mit Petruchio einen Teufel gefunden, der ihr schonungslos jede Widerspenstigkeit aus dem Fell prügeln wird.

Melanie Straub lächelt fein. Denn lang genug galt diese Sichtweise, diese Interpretation „Der Widerspenstigen Zähmung“ als Konsens. Auch weil Katharina in ihrem Schlussmonolog wie eine Geläuterte klingt, wenn sie sagt: „Dein Gatte ist dein Herr, dein Leben, dein Ernährer, dein Haupt, dein Fürst, der für dich sorgt und deiner unterhält.“ Doch so glatt und so schön komödiantisch einfach gibt sich Katharina nicht geschlagen. Bei ihrer ersten Begegnung mit Petruchio – und da ist dieses Bild von der Teufelin und dem Teufel gar nicht so falsch – erkennt sie in ihm den Mann, der sie versteht. „Ein Blick von ihm genügt und er hat tief in ihr Innerstes geschaut“, sagt Melanie Straub. Umgekehrt ist es genauso. Und weil Shakespeare mit „Der Widerspenstigen Zähmung“ eine Komödie geschrieben hat und auch die tiefste und reinste Liebe immer auch ein Spiel ist, lässt er es den Petruchio mit seiner Katharina äußerst arg treiben.

Auf diese Weise zeigt Petruchio Katharina was aus ihr geworden ist. Er zeigt ihr, wie sehr sie ihr Kampf um Selbstbestimmung verhärtet hat. Wie dieser Verhärtungen zu Härten gegenüber ihren Mitmenschen geführt haben. Und in all den verdrehten, so absurden Situationen und Wortgefechten zeigt sich ganz fein, ganz zart und doch so selbstverständlich und sicher diese Liebe zwischen zwei Menschen. Eine Liebe, die von Anfang auf Ehrlichkeit baut und in der jeder für den anderen wie ein Spiegel wird.

Wenn am Ende dann Petruchio sagt „Das ist mein Weib! Komm her und küss mich Käthchen! Komm Kati, ab ins Bett!“, mag das für alle anderen wie eine schallende Ohrfeige wirken, wie sie einst Katharina ausgiebig verteilte. Für Katharina aber ist das einfach nur die schönste Liebeserklärung überhaupt.

Premiere des diesjährigen Sommer-Open-Air mit „Der Widerspenstigen Zähmung“ am Freitag, dem 14. Juni, um 21.00 Uhr im Gasometer am Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse. Weitere Aufführungen am 16. Juni, 18 Uhr und am 15./20./21./23./27./28./29./30. Juni, jeweils 21 Uhr. Karten im Vorverkauf 25, ermäßigt 17,50 Euo, an der Abendkasse 28, ermäßigt 19,50 Euro

Dirk Becker

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