Kultur: Komponierende Frauen
Nicht nur Dilletantisches fürs Damenkränzchen entstand
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Nicht nur Dilletantisches fürs Damenkränzchen entstand „ und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder", heißt es in Schillers „Lied von der Glocke“. Dagegen müsse der Mann hinaus ins feindliche Leben. Aktiv der eine, passiv die andere. Fantasie mögen sie ja haben, sagen Gebildete gönnerhaft übers weibliche Geschlecht, aber speziell zum Komponieren taugen sie nun wahrlich nicht. Schließlich sei ihr Gehirn zu klein, das logische und abstrakte Denken total unterentwickelt. Dilettantisches mögen sie vielleicht fürs Damenkränzchen niederschreiben können, aber für Höheres seien sie nun überhaupt nicht geeignet. Sagen nicht nur die Machos unter den Tonsetzern. Selten genug werden Kompositionen von Frauen objektiv und vorurteilsfrei rezitiert und rezensiert. Als der Musikkritiker Carl Friedrich Becker 1837 in der „Neuen Zeitschrift für Musik“ das erste Klavierkonzert von Clara Schumann-Wieck besprechen sollte, begann er mit den Worten: „Von einer eigentlichen Rezension soll gar nicht die Rede sein, da wir es mit dem Werk einer Dame zu tun haben.“ Ob solche Einstellung mit dazu beigetragen hat, dass wir von den Werken dieser und anderer Komponistin kaum noch etwas wissen, geschweige denn hören?! Gewissermaßen als emanzipatorische Ahnfrau der komponierenden Damenzunft darf zweifellos die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) gelten. Als Kind in einem benediktinischen Frauenkloster erzogen und vielseitig ausgebildet, gründet sie in Rupertsburg ein eigenes Nonnenkloster. Aus diesem Anlass komponierte sie das geistliche Spiel „Ordo virtutum“, das zum Hauptwerk ihres umfänglichen uvres wird. Entstanden ist ein unvergleichliches Werk voller Ausdruckskraft und Dramatik. Im heutigen Bewusstsein wenigstens wieder vorhanden zu sein, hat Hildegard geschafft – über den Umweg ihrer heilpraktischen Lebensregeln. „Daß wir die Gabe Gottes mit Füßen treten, wenn wir unter nichtigen heuchlerischen Vorwänden kein Frauenzimmer zur Kirchenmusik lassen und den Gottesdienst also seines besten Schmuckes berauben“, beklagt der Musiktheoretiker und Komponist Johann Mattheson päpstliches Verbot für das Auftreten von Frauen in Theatern Roms. Andernorts, wie in Paris, ist solches undenkbar. Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerre (1665-1729) ist dafür bestes Beispiel. Sie singt makellos vom Blatt, begleitet sich auf dem Cembalo, spielt selbiges auch solo voller Bravour. Am Hofe Ludwigs XIV. macht sie genauso Furore wie in den Häusern adliger Musikliebhaber. „Ihr unglaubliches Talent stellt sie besonders unter Beweis, wenn sie präludiert und aus dem Stegreif die geschmackvollsten Fantasien spielt“, wissen die Kenner zu schätzen. Mit ihren geistlichen Kantaten leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Gattung. Daneben gilt ihr Interesse der dramatischen Musik und dem „réunion des goûts“, dem vermischten Geschmack. „ ...so bin ich mit meiner Musik ziemlich allein“, stellt Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847) tief enttäuscht fest. Sowohl ihr Vater als auch Bruder Felix versuchen ihre Kompositionstätigkeit in Grenzen zu halten. Das dazu nötige Rüstzeug hat sie, gleich ihrem Bruder, bei Carl Friedrich Zelter erhalten. Ihre Familie verbietet ihr, öffentlich aufzutreten und ihre Kompositionen zu veröffentlichen. Einige ihrer Lieder veröffentlicht Felix als eigene. Doch Fanny gibt das Notenschreiben nicht auf, auch wenn es für die Schublade ist. Nur zu Hause kann sie sich ein musikalisches Betätigungsfeld schaffen, indem sie die Programme der sog. Sonntagsmusiken zusammenstellt, als Pianistin auftritt, dirigiert. Ihre Werke harren noch unserer Entdeckung. Zu einiger Berühmtheit bringen es die Schwestern Boulanger: Lili (1893-1918) als Komponistin, die schillernde Harmonik bevorzugt; Nadia (1887-1979), die ebenfalls komponiert, ihre eigentliche Berufung aber im Unterrichten sieht. Eine anerkannte Expertin. Zu ihren Schülern gehören Aaron Copland, Jean Francaix, Gracyna Bacewicz (1909-1969), Astor Piazolla. Sie ist eine bedeutende Dirigentin und die erste Frau die Pultchefin des Boston Symphony Orchestra und des New York Symphony Orchestra wird. In der Gegenwart waren und sind es Sofia Gubaidulina, Onute Narbutaite, Galina Ustwolskaja, oder Hilary Tann und viele andere suchen sich als Komponistinnen in der Männerdomäne zu behaupten. Auch wenn sie zu Lebzeiten beachtet werden, oftmals als Kuriosität, haben sie doch noch immer mit starken Vorurteilen anzukämpfen: von Kollegen über Dirigenten bis hin zum Publikum. Es sollte sich ändern! Peter Buske
Peter Buske
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