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Kultur: Kompromissloser Ensemblegeist

Das Fauré Quartett zeigte sich bei den Potsdamer Hofkonzerten selbstbewusst und neugierig

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Das Fauré Quartett zeigte sich bei den Potsdamer Hofkonzerten selbstbewusst und neugierig Von Sonja Lenz Mauerblümchen brauchen besonders liebevolle Pflege. Das Klavierquartett zum Beispiel. Eingezwängt zwischen der üppigen Klaviertrio-Literatur und der Königsgattung Streichquartett blüht es in den Ritzen des Musikbetriebs. Das Repertoire ist schmal, auch wenn Schumann, Dvorák und Brahms bedeutende Klavierquartette geschrieben haben. Natürlich werden die Meisterwerke gespielt. Streichquartett-Ensembles laden gern für eine Aufführung oder eine CD-Produktion einen Pianisten ein, einen Geiger aus, und fertig ist das Klavierquartett. Genügt das? Nicht wirklich. Eine fest aufeinander eingeschworene Klavierquartett-Formation, bei der der Pianist nicht als Zusatzpartner empfunden wird, lässt die Werke in ganz anderen Tiefendemensionen aufleben. Das Fauré Quartett führte das bei den „Potsdamer Hofkonzerten“ eindringlich vor. Mit absoluter innerer Geschlossenheit und unbedingtem gemeinsamem Gestaltungswillen. Selbstbewusst, eigenwillig und neugierig müssen die vier jungen Musiker sein. Schon als Studenten der Musikhochschule Karlsruhe fassten sie den seltsamen Entschluss, ein professionelles Klavierquartett zu gründen. Dabei hatten Dirk Mommertz (Klavier), Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Viola) und Konstantin Heidrich (Violoncello) durchaus Chancen auf Solokarrieren oder gute Orchesterpositionen. Sie alle haben beeindruckende Preise in Wettbewerben gesammelt. Und doch: Sie wählten den steinigen Weg, das Nischendasein, das Klavierquartett. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Längst sind die Musiker zwischen Italien, Frankreich, Norwegen und Finnland gefragt. Bei den Festspielen zwischen Schleswig-Holstein und Schwetzingen sind sie gern gesehene Gäste. „Wer das Fauré Quartett hört, möchte es wieder hören.“ Mit dem Satz hat die Pianistin Martha Argerich das Quartett vor vier Jahren geadelt. Tatsächlich ist seit der Gründung des Fauré Quartetts 1995 kaum ein Jahr ohne eine Auszeichnung vergangen. Aus London haben die Karlsruher kürzlich den „Parkhouse Award“ mit nach Hause genommen. Gerade sind sie von ihrer zweiten Lateinamerika-Tournee zurückgekehrt. Trotz aller Erfolge sind sie aber immer weiter auf der Suche nach neuen Anregungen. Zurzeit studieren sie gemeinsam beim berühmten Alban-Berg-Quartett. Wo liegt ihr Geheimnis? Vielleicht in der wunderbaren Balance zwischen impulsiver Leidenschaft und geistiger Durchdringung der Werke. Bestimmt in dem kompromisslosen Ensemblegeist. Er lässt die vier Musiker gemeinsam atmen, Gedankenstriche setzen, jede Phase bis in die feinste Nuance harmonisch ausformulieren. Sie spielen detailverliebt in perfekter Harmonie. Und dabei verlieren sie über den feinsten Verästelungen im größten Strukturdickicht niemals den ganzen Wald aus dem Blick. Ihr Mozart kam im Schlosstheater auf leisen Sohlen daher. Versonnen, beseelt, fast ein wenig entrückt klang das Es-Dur-Quartett – mit überraschenden emotionalen Wechselbädern und einem geisterhaft fahlen Larghetto als Herzstück. Die vier Musiker zelebrierten Mozart als Gründungsvater der Klavierquartett-Gattung. Kopfüber stürzten sie sich in die sinnlichen Klangfluten von Gabriel Faurés zweitem Klavierquartett. Das Werk ihres Namenspatrons haben sie auf ihrer zweiten CD veröffentlicht. Sie sehen ihn nicht einfach als den eleganten Konservativen, den „französischen Schumann“. Sie würdigen ihn – nicht nur in der perkussiven Raserei des zweiten Satzes – auch als einen Wegbereiter der Moderne, von dem nicht nur Debussy und Ravel viel gelernt haben. „Berühmte Klavierquartette“ hieß der Konzertnachmittag. „Reizvolle Raritäten“ hätte vielleicht besser gepasst. Berühmt ist Faurés Quartett hierzulande leider ebenso wenig wie das glutvolle, in spanischem und französischem Kolorit schillernde Klavierquartett von Joaquin Turina. Aber bei so viel Hingabe, Energie, Sachverstand, wie das Fauré Quartett walten lässt, da blühen auch exotische Mauerblümchen prachtvoll auf.

Sonja Lenz

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