Kultur: Konflikt im Tanz
Lenah Strohmaiers Tanztheater „Krieg“ heute und morgen im Theaterhaus
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Zwei Mädchen, die eben noch miteinander spielten, gemeinsam zur Schule gingen, in ihrem Dorf als Nachbarkinder lebten, werden plötzlich gegeneinander gestellt. Misstrauen wird gesät. Ein von außen in ihre Lebenswelt hineingetragener Konflikt macht sie zu „Feinden“. Krieg reißt sie auseinander.
Viele der aus den Krisengebieten der Welt fliehenden Kinder haben dieses oder ein ähnliches Schicksal erlitten. Die Choreografin Lenah Strohmaier hat ihnen zugehört und versucht, ihre Geschichten mit den ungewöhnlichen Mitteln des Tanzes nachzuerzählen. Heute und morgen ist ihr Tanz-Theater-Video-Projekt „Krieg“ mit Potsdamer und Berliner Jugendlichen im Theaterhaus am Alten Markt zu sehen.
Fernab massenmedialer Darstellungsformen will sie den Schicksalen einzelner ein Gesicht geben und dabei Ausdrucksmittel nutzen, die den Zuschauern emotionalen Zugang zu einem schwer fassbaren Thema ermöglichen, sagte sie gestern auf einer Pressekonferenz mit den Akteuren des Projekts. Eine Collage sei entstanden aus Tanz-, Schauspiel- und Videosequenzen, die es erlaube, die zerstörerische Wirkung kriegerischer Konflikte, die Verzweiflung der Opfer und die Not der Flüchtenden aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen.
Deshalb auch wählte sie für das Stück Kinder und Jugendliche unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft: Junge Berliner Asylbewerber, unbegleitete Flüchtlinge wie Paulo C. Antonio aus Angola, trafen bei den Proben auf Mädchen und Jungen einer privaten Grundschule und ältere Schüler der Rosa-Luxemburg-Schule in Potsdam. Ebenso wichtig wie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg war Lenah Strohmaier, dass die Akteure voneinander lernen, sich ihre Geschichten erzählen und zu verstehen beginnen. „Tanz ist immer ein gutes Werkzeug, miteinander zu kommunizieren.“
Nach dem Erfolg des im vergangenen Jahr in Potsdam aufgeführten Tanzprojektes „Tryst“ von Royston Maldoom sollte die „frei gewordene Energie nicht ins Leere laufen“, wünschte sich Christiane Fetscher von der Flickstiftung, die Lenah Strohmaiers Anschluss-Projekt förderte. Für Marco Fritsche aus der neunten Klasse der Luxemburg-Schule war dies ein Glücksfall. „Ich gehöre zu denjenigen, die im Unterricht einfach nicht still sitzen können.“ Das Tanztraining allerdings habe ihn geschafft.
Lenah Strohmaier weiß um die großen, in Schulen bislang zu selten genutzten Potenziale des Tanzes. Die Bewegung entspanne den Körper, das Gehirn werde besser durchblutet, die Kinder seien aufnahmebereiter. Einerseits diszipliniere der Tanz, andererseits biete er enorme Freiräume, sich selbst auszudrücken.
Sandra Rechlin, Tänzerin der ebenfalls am Projekt beteiligten Faster-Than-Light-Dance-Company von Royston Maldoom, hat schon mehrmals miterlebt, wie sich Jugendliche am Anfang der Proben „überhaupt nichts zutrauten und es am Ende nicht fassen konnten, was sie da auf die Beine gestellt haben“. Eine Erfahrung, die sie in jeder Hinsicht stärken werde.
Die Schauspielszenen im Stück betreute Robert Glatzeder, der versuchte, den Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen, sie ernst zu nehmen und darauf zu vertrauen, dass sie aus sich selbst heraus etwas entwickeln können. Dieses gemeinsame Erlebnis habe sie einander näher gebracht. Und so handelt das Stück nicht nur vom Krieg, sondern auch von den Wünschen und Sehnsüchten Heranwachsender, die so verschieden nicht sind. Antje Horn-Conrad
Theaterhaus Am Alten Markt, Sa 17.6 und So 18.6., 19 Uhr
Antje Horn-Conrad
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