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Kultur: Könige des Gesangs

Die King’s Singers im Nikolaisaal

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Das gelingt wohl nur den King’s Singers. Im fast ausverkauften Nikolaisaal präsentieren sie sowohl weitgehend unbekannte, hochmoderne Kompositionen für mehrstimmigen Gesang als auch beliebte Standards aus Folk, Jazz und Pop. Doch es scheint egal zu sein, was sie singen, rauschender Beifall ist ihnen gewiss. Auch im 42. Jahr ihrer Existenz hat die Gesangskunst der „ältesten Boygroup der Welt“ nichts von ihrer Faszination eingebüßt. In der Tat: Wie sie singen, macht ihnen garantiert keiner so leicht nach. Die sechs britischen Gentlemen in grauen Anzügen, braunen Schuhen und dezenten Krawatten in verschiedenen Beigetönen brauchen weder Playback und erst recht kein Mikrofon, um gehört zu werden. Jeder Ton, jede Nuance klingt wie eine Kostbarkeit, erlesene Harmonien vibrieren und verschmelzen in zarten Klanggeweben.

Das unter dem Motto „Body and Soul“ innerhalb der Vocalise stattfindende Konzert präsentiert zunächst Werke britischer Komponisten des 20. Jahrhunderts, die weder rhythmisch noch melodisch eingängig genannt werden können. Dennoch folgen die Zuhörer gebannt der innovativen Tonsprache. Elemente aus byzantinischer Kirchenmusik, mittelalterlicher Mehrstimmigkeit und moderner Klangästhetik vereinen sich zu einer frappierenden Mixtur unter dem Dach der englischen Chortradition.

Auch wenn ein Sänger solistisch ausschert, wie öfter Countertenor David Hurley mit seinem glockenhellen Sopran, bleibt der homogene Zusammenklang gewahrt. Nicht ganz zufällig, denn viele der Werke wurden extra für die britischen Meistersänger komponiert, wie „The Seasons of Mercies“ von Richard Rodney Bennet oder in „The Lily-white Rose“ von John McCabe. Der ehemalige King’s Singer Bob Chilcott komponierte den anspruchsvollen, sechsstimmigen Satz „A Flower given to my Daughter“ nach einem Gedicht von James Joyce.

Drei Liedsätze aus der Renaissance von Orlando Gibbons und Thomas Ravenscroft unterbrechen die avantgardistischen Vorträge, welche mit dem syllabischen, mehrstimmigen Sprechgesang von Steve Martland enden. Umso fröhlicher geht es nach der Pause zu. Wie schon zuvor gibt einer der Sänger eine launige Einleitung in deutscher Sprache. Begonnen wird mit drei köstlichen Chansons von Claude Debussy, die mit lalala-Begleitung und ausdrucksvoller Artikulation so recht den komödiantischen Talenten der Briten entgegenkommen. Noch mehr Jubel rufen die beliebten Arrangements in „close harmony“ in mitteltönigen, akkordsatten Gesangslagen hervor. Dafür lassen die Sänger ihre Notenpulte hinter sich und stellen sich im engen Halbkreis auf.

Los geht es mit englischen Traditionels, argentinischem Tango, kanadischem Folksong und amerikanischem Jazz. Erstmals durfte hier der neue Bassist Jonathan Howard solistisch brillieren. Erst nach drei Zugaben werden diese sechs britischen Gesangskönige von den restlos begeisterten Zuhörern im Nikolaisaal entlassen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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