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Kultur: Königlicher Besuch in der Provinz
Als August der Starke 1728 als Gast von Friedrich Wilhelm I. in Potsdam und Berlin weilte Man trank sich fleißig zu, sprach wenig, und die Langeweile war groß
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Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die am Freitag eröffnet wurden, stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“. In einer fünfteiligen Serie (Heute: Teil 3) widmen sich die PNN den mal mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert.
Wie ein Fisch im Wasser“, fühlte sich August der Starke während seines Aufenthalts im Frühsommer des Jahres 1728 in Berlin und Potsdam. Der vorausgegangene Besuch des preußischen Königs in Dresden war nicht ohne Folgen für das sächsisch- preußische Verhältnis geblieben. Sicherlich waren nicht alle Differenzen auf der politischen Bühne ausgeräumt worden, aber man war sich doch persönlich näher gekommen. Und so war die Einladung, die an August den Starken erging, eigentlich nur eine Formsache.
Rückblickend betrachtet waren die Festlichkeiten in Berlin und Potsdam nicht ganz so strahlend und prächtig wie jene in Dresden und so sind auch die Berichte darüber nicht so detailliert wie die aus der sächsischen Residenz.
Bevor die Gäste aus Sachsen Ende Mai eintreffen sollten, gab es noch einiges zu tun. Dabei verfuhr der preußische Monarch nach dem Grundsatz: Tue nie etwas, was auch andere für dich tun können. Schon seit Anfang März gab der König Erlasse an seine Untertanen heraus, die der Vorbereitung des Empfanges des polnischen Königs und dessen Sohnes dienten. So hatte das Hofpersonal alle Zimmer des Schlosses mit Samt auszukleiden. Es versteht sich von selbst, dass der gesamte Hofstaat in seiner besten Garderobe zu erscheinen hatte. Ministern und Räten wurde befohlen, während der Zeit des Besuches eine offene Tafel zu halten. Friedrich Wilhelm wusste, was da auf ihn zukam. Immerhin erinnerte man sich noch gut an die Unsummen, die der Besuch des Zaren vor zehn Jahren gekostet hatte. Der Monarch schüttete dem Alten Dessauer sein Herz aus: „Es wierdt mir doch 25.000 th kosten es soll aber heißen 100.000 th“. Um gewisse Ausgaben kam er jedoch nicht herum, etwa für die Einkleidung der Hofdamen. Andererseits ließ sich bei den Speisen sparen und es wurde Wildbret gereicht, das im Überfluss in den märkischen Wäldern vorhanden war.
Das Problem war weniger die Verköstigung und Unterbringung des Monarchen als vielmehr die seines Hofstaates. Penibel hat der braunschweigische Gesandte Wilhelm Stratemann aufgelistet, in welchem Haus eines preußischen Würdenträgers welcher sächsische Höfling nächtigte. Neben den unzähligen Kunsthandwerkern wie Stickern und Schneidern, die den repräsentativen Räumen quasi den letzten Schliff geben mussten, hatten auch die Hausbesitzer ihre Häuser abzuputzen, die Gebäude des Hofes erhielten zusätzlich einen neuen Anstrich. Die Besitzer der sogenannten Frei-Häuser hatten nach altem Recht und Gewohnheit Tischtücher und Zinn für die Festlichkeiten zu liefern.
Hinzu kam der Druck, der auf zahlreichen Höflingen lastete – um nichts in der Welt wollte man sich vor den weltgewandten Gästen blamieren. „Einige derselben, so bey nahe das 60. Jahr erreicht haben mögen, laßen einen Tantz Meister kommen: sich im Tantzen wieder unterrichten zu lassen In summa! Beyderley Geschlecht praepariert sich in Galla erscheinen zu können“ teilte Stratemann mit.
Damit waren scheinbar alle Probleme im Vorfeld beseitigt. Aber nur scheinbar. Da es in Potsdam nicht genügend Damen von „Distinction“ gab, die man denen aus Sachsen und Polen zur Seite stellen konnte, sollte die gehobene Damenwelt Berlins diese Aufgabe übernehmen. Doch die rebellierte unter der Führung der Königin und so blieb dem König nichts anderes übrig, als sich mit Damen aus der zweiten Reihe zu begnügen.
Und als wenn das alles noch nicht genug wäre, gab es Probleme mit dem Thronfolger. Das Verhalten des jungen Mannes bot seit einiger Zeit Anlass zur Sorge. Eine düstere Melancholie sollte ihn seit seiner Rückkehr aus Dresden befallen haben. Es war das freie Leben, das er am sächsischen Hof kennengelernt hatte und welches er am preußischen vermisste. Von Zeit zu Zeit konnte sich der junge Friedrich nicht zurückhalten, etwa „beym jüngsten Abschiednehmen von der Feldmarschallinn v. Flemming derselbe zwarn anfänglich die Hand geküßet, sich aber bald wieder bedacht und Selbe beym Kopff gefaßet und Sie herzlich embraßiret hätte.“
Am 25. Mai schließlich traf der sächsische Kurprinz in Potsdam ein und am nächsten Tag sein Vater. Die folgenden zwei Tage verbrachte man in Potsdam. Bei den Zeitzeugen fehlen Berichte darüber, denn Potsdam war – trotz seines Schlosses – noch Provinz. Während die beiden Könige in Potsdam weilten, vergnügte sich die Königin in Schloss Monbijou mit Musik: Zwei Violinisten spielen vor ihr auf und hier war es der Merseburger Kapellmeister Graun, der vor dem Italiener Locotelli das Wohlwollen der Königin erlangte. Doch auch der eigens aus Sachsen mitgereiste Locotelli sollte noch Gelegenheit haben, sein Können unter Beweis zu stellen und er tat dies während eines Konzertes so gut, dass ihm die preußischen Musiker kaum folgen konnten.
Die Musiker verliehen dem Berliner Hof Glanz, so berichtet Wilhelmine, denn August sandte „seine geschicktesten Virtuosen an die Königin, wie den berühmten Weiß, der so herrlich Laute spielte; dann Buffardin, der große Flötenbläser und Quantz der dasselbe Instrument spielte und ein großer Komponist war.“ Für Quantz war es nicht die erste Begegnung mit dem preußischen Hof und es sollte nicht die letzte sein.
Am 28. Mai führte der Weg dann über die Spandauer Zitadelle nach Berlin. Und schließlich begann am darauf folgenden Tag das offizielle Programm. Wilhelmine von Preußen war fasziniert von dem einnehmenden Wesen August des Starken und zugleich erschrocken über dessen schlechten Gesundheitszustand. Ganz anders fällt ihr Urteil über den Kurprinzen aus, der äußerst beleibt ist und schüchtern und verklemmt im Umgang mit anderen Menschen, doch noch vernichtender äußerte sie sich über seine Frau, denn „diese Fürstin war außerordentlich hässlich, und nichts entschädigte sie für ihr unglückliches Äußeres“.
Die Tage vergingen mit Empfängen und zahlreichen Gastmahlen und wieder einmal urteilt die Prinzessin Wilhelmine mit spitzer Feder, diesmal jedoch – während sie die Kleidung der Gäste bewundert – über die Uniformen ihrer Landsleute, deren Röcke so kurz sind, „dass sie unseren Vorfahren kaum zu Lendenschürzen gereicht hätten, und so eng, dass sie sich nicht zu rühren wagten, aus Furcht, sie zu zerreißen.“ Nein, die Tage in Berlin hatten nichts von der Pracht und Ausgelassenheit des Dresdner Karnevals. „Man trank sich fleißig zu, man sprach wenig, und die Langeweile war groß“ umschreibt Wilhelmine eine feierliche Tafel, bei der die gesamte Prominenz beider Staaten zugegen war. Doch Friedrich Wilhelm hatte noch einiges in petto, womit er seinen Gast zu verblüffen gedachte. Preußens Gloria war das Militär und das präsentierte der König seinem Gast am 31. Mai auf dem Tempelhofer Feld bei einer 16 000 Mann starken Parade. Die Veranstaltung schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn August bat darum, den Grafen Rutowski in die preußische Armee eintreten zu lassen.
Am 8. Juni kam es zu einem Mahl ganz besonderer Art: Eine Vertrauenstafel wurde abgehalten, an der nur ausgewählte Personen teilnahmen. Nicht einmal Dienstpersonal war bei dieser Gesellschaft zugegen. Die Tafel wurde mittels Rollen herabgelassen. Die Gäste notierten ihre Wünsche und das Gewünschte erschien wie von Geisterhand auf der beweglichen Tafel. Mit einigen Unterbrechungen speiste und vor allem trank man hier von 13 bis 22 Uhr. „Bacchus kam dabei zu Ehren, und die beiden Könige spürten die Wirkung des göttlichen Saftes“ umschreibt Wilhelmine den Zustand der beiden Herrscher. Noch am selben Abend reiste August der Starke ab.
Andreas Dubslaff, geboren in Potsdam, ist Kunsthistoriker und lebt in Dresden
Weitere Informationen zum Programm unter: www.musikfestspiele-potsdam.de
Andreas Dubslaff
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