Von Almut Andreae: Kontaktspuren
Mit ihrer Kunst setzt Beret Hamann Botschaften für mehr Identität
Stand:
In wenigen Tagen stellt Beret Hamann dem Altar in der Groß Glienicker Dorfkirche einen Lichtbaum an die Seite. Anlass ist die lange Nacht der offenen Kirchen am 6. September. Für den Innenraum der Kirche hat die Künstlerin eine Kiefer auf Folie gemalt und in einen Leuchtkasten gebracht. Der illuminierte Baum wird zum Lichtsymbol und steht für Wachstum, Erneuerung und den Kreislauf des Lebens.
Die Ausstellung in der Kirche gemeinsam mit anderen Künstlern steht ganz unter dem Zeichen des Lichts. Beret Hamann, gelernte Dekorationsmalerin, Film architektin und diplomierte Designerin, lässt, seitdem sie hauptsächlich als Malerin und Grafikerin tätig ist, kaum eine Gelegenheit aus, mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen. Statt Kunst aus dem Elfenbeinturm scheint es im Falle von Beret Hamann eher gerechtfertigt, von künstlerischen Botschaften und Aktionen zu sprechen. Was sie selber nachhaltig beschäftigt, trägt sie als Angebot in die Gesellschaft hinein. Die Motivation, Kunst zu machen, geht bei der 1967 geborenen Potsdamerin weit über die Ebene von Gestaltung und Ästhetik hinaus. Viele ihrer Arbeiten wurzeln in dem Bedürfnis, etwas zu bewegen, Prozesse zu klären oder überhaupt erst in Gang zu setzen.
Ein weiteres Motiv, künstlerisch aktiv zu werden, ist die vehemente Abgrenzung von Erscheinungen unserer Zeit, die Beret Hamann gewissermaßen in eine latente Alarmbereitschaft versetzen. Konsumrausch, Medienflut und Reizüberflutung sind solche Themen. Diese von der Künstlerin konstatierte „Übersättigung der Gesellschaft“ veranlasst sie dazu, selbst auf die Suche zu gehen. Die Fragen, die ihr dabei in den Sinn kommen, zielen darauf, was am Ende im Leben wirklich zählt. Die Suche nach den eigenen Wurzeln, nach Identität hat Beret Hamann zu den Pflanzen geführt. Pflanzen, so die Künstlerin, sind Metaphern, Bild gewordener Ausdruck für Leben, Verwandlung und Vergänglichkeit. Sie sind es, die sich am Ende durchsetzen werden, unabhängig von den Einflüssen menschlicher Zivilisation, verbindend, gesellschaftsübergreifend, Überwinder von Zeit und Raum.
Schon lange geht Beret Hamann mit ihren Blüten-, Blätter- und Pflanzenbildern nach draußen: installiert sie genau an den Orten, die sich gerade in einem Prozess des Übergangs befinden. Das Pflanzensymbol markiert wie ein Zeichen die Metamorphose eines Ortes.
Kürzlich hat die Künstlerin ihre auf lichtdurchscheinende Folie gemalten Pflanzenbilder als mobile Stelen auf dem Alten Markt postiert. Durch die Installation der im Sonnenlicht leuchtenden Bilder, die Beret Hamann bei Dunkelheit mit Hilfe von Lichtquellen illuminiert, werden Prozesse der Veränderung eindrucksvoll in Szene gesetzt. In dem Bild einer einzelnen Pflanzenstele an einem Ort, wo vor noch nicht einmal einem Jahr eine monumentale Montagehalle für Militärfahrzeuge stand, kulminiert eine ganze Entwicklung: angefangen von der Besetzung der „Panzerhalle“ durch die Künstler vor mehr als zehn Jahren bis hin zu ihrem unvermeidlichen Abriss. Am Ende – auch dies eine Botschaft des Bildes – scheint einmal mehr die Vegetation den Sieg davon getragen zu haben.
Mit ihrer Kunstaktion „Die Fluss-Schöpfung“ hat Beret Hamann im Sommer vergangenen Jahres ein weiteres Projekt aus der Taufe gehoben, das sich ebenfalls mit der eigenen Herkunft und Identität befasst. Mit dem Aufruf „Sammeln Sie Flusswasser in einem Glas“ hat die Künstlerin bundesweit Menschen mobilisiert, sich an einer grenzüberschreitenden Flusswassersammlung zu beteiligen. Beret Hamann erzählt, wie sie auf diese Weise von völlig unbekannten Menschen detaillierte Berichte und Fotos ihrer Expeditionen zum Fluss ihrer Heimat erhielt. Um aus dem heimatlichen Fluss zu schöpfen und damit unwillkürlich zur Quelle der eigenen Herkunft zurückzugehen, nahmen diese Menschen zum Teil weite Wege in Kauf. Wenn Beret Hamann im nächsten Jahr die eingereichten Flussproben und begleitenden Dokumente in einer Ausstellung vereint, werden „Flüsse, Orte und Menschen, die sich sonst fremd sind“, in Beziehung gesetzt und miteinander vernetzt. Kunst, der dies gelingt, ist konstruktiv und verbindlich. Sie stiftet Identität und schlägt Brücken zwischen Menschen, Zeiten und Orten.
Die Kunstaktion „Die Fluss-Schöpfung“ endet mit diesem Jahr. Kontakt Beret Hamann: www.retha.de oder mobil: 0170-5150630.
Almut Andreae
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