Kultur: Konträre Paarungen
Saisoneröffnung für den „Caputher Orgelsommer“ mit Michael Bernecker
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Mitunter scheint es, als seien Programme von Orgelkonzerten zufällig zusammengestellt. Bei anderen wird nicht sofort erkennbar, welcher Ariadnefaden durch die Abfolge führt. Was Organisten bewog, dieses oder jenes darzubieten, ist am besten von ihnen selbst zu erfahren. Der Caputher Orgelsommer ging da stets mit gutem Beispiel voran. Auch zur diesjährigen Saisoneröffnung wurde der publikumsfreundliche Brauch durch den Berliner Kantor Michael Bernecker fortgeführt. Zum Hüfken-Instrument hat er eine besondere Beziehung. Er gehörte zu jener Jury, die den von Reimar von Zadow initiierten Orgelneubau begleitete, den Baumeister auswählte und beauftragte, die Disposition festlegte Eine schöne Geste übrigens, dass auch er vor seinen Darlegungen des kürzlich Verstorbenen gedachte, der mit Orgelrestaurierung und damit verbundener Konzertreihe sein Lebensziel krönte.
Die ausgewählten und reizvoll miteinander verknüpften Komponisten hätten ein besonders enges Verhältnis zu Johann Sebastian Bach gehabt, so Bernecker. Was bedeutet, dass selbiger auch zu klingendem Wort gelangt. Und zwar gleich zu Beginn – mit der „Dorischen“ Toccata d-Moll BWV 538, die freudig, forsch, prinzipalgeschärft, kurz phrasiert erklingt. Da das Pedal im mittleren Turm des Prospekts steht, ergibt sich mit dem daneben liegenden Brustwerk eine vorzügliche Klangmischung. Instrument und Stück passen also vorzüglich zusammen. Doch ein sog. „Heuler“, das Hängenbleiben einer Taste, lässt Organist wie Publikum schaudern. Was war geschehen? Droht gar der Abbruch des Konzerts, kaum dass es begann? Ein anwesender Orgelbaumeister steigt ins Gehäuse und entdeckt, dass eine durch die Luftfeuchtigkeit aufgequollene Abstrakte (dünnes Holzstäbchen als Verbindung von Taste zum Ventil) schlichtweg klemmt. Nachdem der Schlitz geweitet ist, nimmt das Konzert nach nur zweiminütiger Reparaturdauer seinen Fortgang.
Bachs Orgelchoral „Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654, bewegt und beweglich im Zungenregister der achtfüßigen Oboe gespielt, war einst Lieblingsstück von Felix Mendelssohn Bartholdy. Nun erklingt von ihm Präludium und Fuge G-Dur op. 37 Nr. 2: ersteres in liedhaften Figurationen, letzteres im gravitätischen Pedalsolo der schließlich in festlichem Glanze erstrahlenden Fuge. Ähnlich konträr die Paarung der Choralbearbeitung „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ von Otto Dienel (1839-1905) mit der gleichnamigen Bach-Version. Die Deutung des ersteren zeichnet eine düstere Stimmung aus, die durch die Melodiestimme (in der Oboe mit Koppelflöte ergibt sich fast ein Klarinettengesang) aufgelockert wird. Die Bachsche Version gibt sich heller getönt und rascher in den Zeitmaßen. Wie denn überhaupt auffällt, dass der Organist in den Stücken selbst kaum registriert, um vordergründige Effekte zu vermeiden. Ausnahme: das in ätherischen Regionen, dann wieder im vollen Orgelwerk angesiedelte „Benediktus“ von Max Reger.
Seine Liebe zur Oboen-Zungenstimme (diesmal im Diskant) offenbart Michael Bernecker in einem Larghetto von Gustav Adolf Merkel (1827-1885). Zum Abschluss dann Mendelssohns c-Moll-Sonate op. 65 Nr. 2. Das Adagio lässt an einen Aufschrei aus Seelentiefe denken, das festlich aufstrahlende Allegro an den „Zauberflöten“-Hymnus „Bald prangt den Morgen zu verkünden“, die Fuge ans majestätische „Fidelio“-Finale „Heil sei dem Tag“. Eine reizvolle Lesart.Peter Buske
Am 22. 7., 17 Uhr Orgelkonzert mit Andreas Sieling mit Werken von Dietrich Buxtehude u.a.
Peter Buske
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