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Kultur: Kontrastreich

Bach und Hindemith beim Schlosskonzert

Stand:

Was der Bauer nicht kennt An exotische Früchte wie Physalis oder Avocado, Litschi oder Kiwi hat sich der Gaumen längst gewöhnt, an Kumquat, Pitahaya und Pepino weit weniger. Beim musikalischen Angebot is(s)t es sich ähnlich. Bach und Co. gehen weg wie geschnitten Brot, der Exot Paul Hindemith, weil lange Zeit als Rebell der neuen Musik verschrien, findet weit weniger Interessenten, bleibt daher im Regal liegen. Doch was nicht angeboten wird, findet auch keine Nachfrager. Und umgekehrt. Ein verflixter Kreislauf, den zu durchbrechen sich die Kammerakademie Potsdam bei ihrem zweiten Schlosskonzert am 2. Adventssonntag im Theater des Neuen Palais vorgenommen hatte.

Bach und Hindemith im trauten Verein: Das verheißt anregende Begegnungen über die Jahrhunderte hinweg. Nicht weniger passend des Ortes friderizianisches Ambiente, das für den einen sehr anheimelnd erscheint, dagegen für den anderen einen spannenden Kontrast bildet. Die ob solcher Konstellationen erklecklich Angelockten (es hätten durchaus noch mehr sein können) kommen, da neugierig genug, voll auf ihre Kosten.

Dem barocken Altvorderen gebühren dabei Anfang und Ende des für die traditionelle Reihe „Klingender Advent“ ausgewählten Konzerts, bei dem Spenden für die musikalische Frühförderung von kleinen Kindern eingesammelt werden. Für ihr Musizieren haben sich die Streicher der Kammerakademie im Halbkreis um das in ihrem Zentrum aufgestellte Cembalo postiert, von dem aus Rita Herzog als impulsgebende Continuistin ihres Amtes waltet. Johann Sebastian Bachs 3. Brandenburgische Konzert G-Dur BWV 1048 wird klangfrisch und temperamentvoll angegangen, wobei das Eingangsthema wie ein über das Wasser hüpfender Stein durch die Streichergruppen von Violine, Bratsche und Violoncello wirbelt. Akzentuiert und lustvoll erklingen die Themen, federnd und unablässig bewegt verbreiten sich glanzvolle Stimmungen. Kunstfertigkeit und lebendiger Ausdruck gehen auch im 6. „Brandenburgischen“ B-Dur BWV 1051 eine klangerquickliche Verbindung ein. An Innigkeit kaum zu überbieten, sorgen je zwei Bratschen und Celli nebst Continuo für einen warmen weichen Grundton. Zum geistvollen Wechselgespräch in flinker Rhetorik gesellt sich immer wieder das Cembalo, das im Adagiosatz mit gezogenem Lautenregister für ein zartes, geradezu intimes Musizieren sorgt.

Nicht weniger spielfreudig zeigen sich die reichlich 200 Jahre später entstandenen „Kammermusiken“ von Paul Hindemith, deren avantgardistische Schreibweise den Ohren zunächst sehr gewöhnungsbedürftig ist. Doch einmal genossen, können sich die Sinne kaum satthören. Sehr schnell und wild, rhythmusstreng und berstend vor bizarren Einfällen klingt die Nr. 1 op. 24/1 für zwölf Soloinstrumente spannungsgeladen vorüber. Klavier, Akkordeon und Xylophon sorgen für kantige Konturen, Glöckchenklang, Sandrascheln und Sirenengeheul für weitere Überraschungen.

Dem Spiegelbild sozialunruhiger Entstehungszeit (1922) folgt die Nr. 3 op. 36/2 für obligates Violoncello und zehn Soloinstrumente. Auch dieses Stück erweist sich als eine motorisch geprägte, fröhliche und kurzweilige Spielmusik, dessen vertrackten bis tückischen Solopart Ulrike Hofmann mit Inbrunst und ausgeglichenem Ton sehr souverän meistert. Zusammen mit einfach besetztem Bläsersatz und Streichtrio entfalten sich zwanzig vergnügliche, beifallsfreudig bedankte Hörminuten. Und des Rezensenten Wunsch? Mehr Hindemith für Potsdam! Peter Buske

Peter Buske

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