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Kultur: Kontrastreich

Das Belcea-Quartett in der Ovidgalerie

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Sie war wieder eine Herausforderung für Musiker und Publikum: Die Begegnung mit Benjamin Britten. Dessen Streichquartett Nr. 3 stand auf dem Programm des Belcea Quartetts am Dienstagabend in der Ovidgalerie in den Neuen Kammern Sanssouci. Eine Woche zuvor hatte am selben Ort der Cellist Steven Isserlis mit Brittens Suite Nr. 3 für Violoncello solo mit seinem außergewöhnlichem Spiel gezeigt, was die Stücke des britischen Komponisten so reizvoll macht: Über dissonante Geröllfelder lässt er den Hörer stolpern, im hangaufwärts, bis sich vor ihm unvermittelt atemberaubende Aussichten harmonischer, nicht selten meditativer Schönheit öffnen. Doch bevor es im Streichquartett Nr. 3 zu dieser Aussicht kommt, lässt Britten den Zuhörer lange stolpern.

In den einleitenden „Duets“ und dem folgenden „Ostinato“ herrscht ein ständiges Gegeneinander, Aufgreifen und Übernehmen der Themen, sind die beiden Violinen, die Viola und das Cello scheinbar unentschlossen im gemeinsamen Zusammenspiel. Nur selten brechen lyrische Momente wie ein kurzes Innehalten dieses sprunghafte Chaos auf. Das Belcea-Quartett kraftvoll und zupackend, nicht die geringste Schmeichelei im Ton, galt es hier doch einen Kraftakt zu bewältigen, jedoch ohne dabei angestrengt zu wirken. Erst mit der unentschlossenen, stillen Violinenstimme im „Solo“ zeichnet Britten seine betörenden Landschaften, um sie mit bedrohlichen, gelegentlich fast apokalyptischen Ausbrüchen in der „Burlesque“ wieder in ihre Einzelteile zu zerlegen. Diese äußerst reizvolle Tour de force endete erst mit den letzten Takten der abschließenden Passacaglia, als das Cello einen versöhnlichen Akkord anschlägt, in den die anderen Instrument wie erlöst einstimmten.

Das 1994 in London gegründete Belcea-Quartett zeigte an diesem Abend in der Ovidgalerie, wofür es in der ganzen Welt gefeiert wird: Einen klaren, ausdrucksstarken und unmissverständlichen Ton. Glattheiten oder Bequemlichkeiten sucht man bei diesen Musikern vergeblich. Und so gab sich Joseph Haydns einleitendes „Lobkowitz-Quartett“ als spröde und kantig Schönheit, die vor allem Corina Belcea-Fisher auf ihrer Violine mal mit samtweichen, dann wieder rasierklingenscharfen Tönen verzierte. Kontrastreich dieser Abend im äußerst homogenen Spiel der vier Musiker, wie auch das abschließende Streichquartett in a-Moll von Edward Elgar zeigte. Dieses 1918 unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges entstandene Stück mit seiner Zerrissenheit zwischen Aufbegehren und Versöhnung, Widerwillen und Akzeptanz hat in dem Belcea-Quartett einen kompromisslosen und gleichzeitig respektvollen Nachlassverwalter gefunden hat. Dirk Becker

Dirk Becker

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